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Frühere Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union können im Archiv eingesehen werden.

28.02.2025 Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH: Rückwirkende Änderung von verbindlichen Zolltarifauskünften?

EU 2024/0004 (Ra 2023/15/0003) vom 23. Oktober 2024, T-638/24

Mit verbindlicher Zolltarifauskunft reihte das Zollamt eine Ware mit der Bezeichnung „Einwegvenenstauer“ - abweichend vom Einreihungsvorschlag der Antragstellerin und nunmehrigen Mitbeteiligten - in eine konkret genannte Warennummer ein. Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde und brachte vor, die mit der verbindlichen Zolltarifauskunft vorgenommene Einreihung sei nicht begründet worden und sei inhaltlich nicht korrekt.

Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde der Mitbeteiligten Folge und änderte den angefochtenen Bescheid gemäß § 279 BAO dahingebend ab, dass die verfahrensgegenständliche Ware in eine andere, konkret genannte Warenummer einzureihen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich das Zollamt mit der gegenständlichen Amtsrevision. Das Zollamt bringt unter anderem vor, dass laut dem Unionszollkodex (UZK) die verbindliche Zolltarifauskunft hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung der Ware ab der Zustellung verbindlich werde. Das Bundesfinanzgericht habe die in Beschwerde gezogene verbindliche Zolltarifauskunft des Zollamts mit seiner Entscheidung gemäß § 279 BAO rückwirkend zu ändern beabsichtigt. Eine derartige rückwirkende Änderung einer rechtsverbindlich erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft lasse der Zollkodex jedoch nicht zu. Der § 279 BAO sei im Revisionsfall von der Regelung des UZK als primär anzuwendendes Recht überlagert und könne daher im Bereich der verbindlichen Zolltarifauskünfte nicht angewendet werden.

Gemäß Art. 44 Abs. 4 UZK gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass das Rechtsbehelfsverfahren eine umgehende Bestätigung oder Berichtigung der von den Zollbehörden erlassenen Entscheidung ermöglicht. Diese Bestimmung überlässt es den Mitgliedstaaten daher die Einzelheiten des Rechtsbehelfsverfahren zu regeln. In Österreich ist in § 46 ZollR-DV vorgesehen, dass das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht das Rechtsbehelfsverfahren der zweiten Stufe (Art. 44 Abs. 2 Buchst. b des UZK) bildet. Die Bestimmungen der BAO gelten insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist.

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO ist das Bundesfinanzgericht berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. In der Sache entscheidende Erkenntnisse wirken im Rahmen des § 279 BAO nach in Österreich herrschender Ansicht ex tunc (rückwirkend).

Nach Art. 34 Abs. 3 UZK können verbindliche Zolltarifauskünfte nicht rückwirkend ihre Geltung verlieren. Art. 34 Abs. 6 UZK bestimmt, dass verbindliche Zolltarifauskünfte nicht geändert werden können. Der VwGH hegt Zweifel darüber, ob und welche Reichweite die genannten Bestimmungen für die Rechtsbehelfe nach Art. 44 UZK entfalten. Für den VwGH ist dabei fraglich, ob die Vorgaben des UZK bereits dem Grunde nach eine Wirksamkeit der Entscheidung über den Rechtsbehelf zurück auf den Ausstellungszeitpunkt der verbindlichen Zolltarifauskunft vorsehen oder diese ausschließen oder allenfalls die Festlegung einer solchen Wirksamkeit durch mitgliedstaatliche Verfahrensvorschiften ermöglichen.

Daher wendete sich der Verwaltungsgerichtshof fallgegenständlich an den EuGH mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV.

Volltext des Beschlusses

Die Vorlagefragen im Wortlaut

Sind die Art. 33, 34, 44 und 45 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union im Hinblick darauf, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 44 Absatz 4 dieser Verordnung gewährleisten, dass das Rechtsbehelfsverfahren eine umgehende Bestätigung oder Berichtigung der von den Zollbehörden erlassenen Entscheidung ermöglicht, dahingehend auszulegen, dass die Entscheidung über einen gemäß Artikel 44 Absatz 2 dieser Verordnung eingelegten Rechtsbehelf gegen eine gemäß Artikel 33 dieser Verordnung erteilte verbindliche Zolltarifauskunft auf den Zeitpunkt der Ausstellung dieser verbindlichen Zolltarifauskunft durch das Zollamt zurückwirkt?


Für den Fall, dass die Frage 1 mit Nein beantwortet wird: Sind die Artikel 33, 34, 44 und 45 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union dahingehend auszulegen, dass die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Verfahrensregeln vorsehen können, dass die Entscheidung über einen gemäß Artikel 44 Absatz 2 dieser Verordnung eingelegten Rechtsbehelf gegen eine gemäß Artikel 33 dieser Verordnung erteilte verbindliche Zolltarifauskunft auf den Zeitpunkt der Ausstellung dieser verbindlichen Zolltarifauskunft durch das Zollamt zurückwirkt?