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Geschichte
Die Geburtsstunde des Verwaltungsgerichtshofes schlägt am 2. April 1876, dem Tag, an dem das Gesetz betreffend die Einrichtung eines Verwaltungsgerichtshofes in Kraft tritt.
Als ein typisches Anliegen der liberalen Strömungen des 19. Jahrhunderts und Markstein für die Durchsetzung des rechtsstaatlichen Prinzips in vielen europäischen Staaten verhieß schon die Dezemberverfassung 1867 die Einführung der gerichtsförmigen Kontrolle für die Verwaltung durch einen Verwaltungsgerichtshof.
Der Verwaltungsgerichtshof bestand ursprünglich aus zwölf Mitgliedern, der Aktenanfall im ersten Jahr betrug nur 271 Beschwerden. Zum Ende der Monarchie zählte der Verwaltungsgerichtshof bereits 49 Mitglieder, die Zahl der Beschwerden stieg auf knapp 10.000 an. Dem k. k. Verwaltungsgerichtshof kam die wesentliche Aufgabe zu, die gesamte österreichische Verwaltung juristisch zu durchdringen und insbesondere für das Verwaltungsverfahrensrecht eine Reihe von Rechtsgrundsätzen herauszuarbeiten.
Nach dem Zusammenbruch der Monarchie richtete die (nunmehr republikanische) Verfassung den Verwaltungsgerichtshof für die Republik Österreich ein.
Im Mai 1934 trat - nach dem Ende des parlamentarisch-demokratischen Systems 1933 - eine neue Verfassung in Kraft, die den Verwaltungsgerichtshof mit dem Verfassungsgerichtshof zum Bundesgerichtshof fusionierte. Mehrere Richter wurden aus politischen Gründen in den Ruhestand versetzt.
Nach 1938 wurde die Verwaltungsgerichtsbarkeit zwar nicht gänzlich beseitigt, aber innerlich ausgehöhlt. Mehrere Richter wurden aus politischen oder rassischen Gründen in den Ruhestand versetzt. 1940 wurde der Bundesgerichtshof zu einer Reichsbehörde mit der Bezeichnung "Verwaltungsgerichtshof in Wien" umfunktioniert. 1941 folgte der organisatorische Zusammenschluss mit anderen Verwaltungsgerichten des Deutschen Reichs zum Reichsverwaltungsgericht.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges nahm der Verwaltungsgerichtshof am 7. Dezember 1945 seine Tätigkeit erneut auf. Bereits wenige Wochen nach der Unabhängigkeitserklärung Österreichs 1945 hatte Staatskanzler Renner den 1938 in den Ruhestand getretenen Senatspräsidenten Emmerich Coreth beauftragt, den Verwaltungsgerichtshof zu reaktivieren. Das von Coreth entworfene Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) wurde seit 1945 mehrmals novelliert und wiederverlautbart, gilt aber im Kern noch heute. Die Mitglieder der Wiener Senate des Reichsverwaltungsgerichts wurden großteils in den Ruhestand versetzt, bei den Neubesetzungen wurde teilweise auf 1938 pensionierte Richter zurückgegriffen.
Besondere Bedeutung erlangten die Beitritte Österreichs zur Europäischen Menschenrechtskonvention und zur Europäischen Union. Mit Letzterem wurde der Verwaltungsgerichtshof durch das System der Vorabentscheidung in die europäische Gerichtsbarkeit eingebunden und damit ein mittelbares Unionsorgan. Sein erstes Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union stellte er am 18. September 1996.
Durch die mit 1. Jänner 2014 eingerichteten Verwaltungsgerichte erster Instanz (neun in den Bundesländern, ein Bundesverwaltungsgericht, ein Bundesfinanzgericht) wurde eine zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit geschaffen. Damit wurde auch die volle Zuständigkeit in Asylangelegenheiten neuerlich begründet, die (mit der Ausnahme der Zuständigkeit für Grundsatzentscheidungen) ab 2008 durch die Einrichtung des Asylgerichtshofes unterbrochen war.