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Zur Bindungswirkung von A1-Bescheinigungen eines anderen Mitgliedstaates
Ro 2016/08/0013 und 0014 vom 10. Oktober 2018
Die erstmitbeteiligte Partei betreibt in Österreich in einem gepachteten Schlachthof ein Vieh- und Fleischvermarktungsunternehmen. Sie schloss u.a. mit der drittmitbeteiligten Partei mit Sitz in Ungarn einen Vertrag, worin sich diese zu Fleischzerlegungs- und Verpackungsarbeiten in den Räumen der erstmitbeteiligten Partei verpflichtete. Zur Durchführung der Arbeiten entsandte die drittmitbeteiligte Partei 250 Mitarbeiter nach Österreich. Für diese hatte der zuständige ungarische Sozialversicherungsträger - teilweise rückwirkend und teilweise sogar in Fällen, in denen die österreichische Gebietskrankenkasse bereits mit (nicht rechtskräftigem) Bescheid eine Pflichtversicherung des betreffenden Mitarbeiters nach österreichischen Rechtsvorschriften festgestellt hatte - Bescheinigungen über die Anwendung der ungarischen Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit (A1-Dokument bzw. "portable document A1") ausgestellt. Dessen ungeachtet hat die österreichische Gebietskrankenkasse die genannten Dienstnehmer der österreichischen Pflichtversicherung unterworfen.
Das Bundesverwaltungsgericht behob diese Bescheide. Auf Grund der A1-Dokumente stehe bindend fest, dass für alle Dienstnehmer ungarische Rechtsvorschriften anzuwenden seien. Die österreichische Gebietskrankenkasse erhob Revision. Der VwGH richtete ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH. Dessen Urteil vom 6. September 2018, C-527/16, folgend sprach der VwGH aus, dass eine vom zuständigen Träger eines Mitgliedstaates ausgestellte A1-Bescheinigung - abgesehen von den Fällen des Betruges oder des Rechtsmissbrauches - gemäß Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 nicht nur für die Träger des Mitgliedsstaates, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, sondern auch für die Gerichte dieses Mitgliedstaates verbindlich ist.
In Abweisung der Revision bestätigte der VwGH das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, weil weder den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes noch dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei Hinweise zu entnehmen waren, die auf einen Betrug oder einen Rechtsmissbrauch (etwa Irreführung des ungarischen Sozialversicherungsträgers durch die drittmitbeteiligte Partei) hindeuten würden.