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Enteignung aufgrund Agrarstrukturverbesserung kann ein begründetes öffentliches Interesse darstellen

Ro 2017/07/0018 vom 24. Mai 2018

Eine Enteignung (Zwangsrechtsbegründung) nach § 63 lit. b WRG 1959 kann zulässig sein, wenn und soweit es notwendig ist, Privatrechte zu entziehen, um ein Vorhaben zu verwirklichen, das im öffentlichen Interesse liegt. Eine von einer Zwangsrechtseinräumung betroffene Person kann grundsätzlich dagegen Einwendungen erheben.

Im konkreten Fall beantragte die mitbeteiligte Partei, ein Vollerwerbsbauer, eine wasserrechtliche Bewilligung für eine Kleinwasserkraftanlage (Anlage) zur Stromerzeugung. Die Bewilligung sei notwendig, um die "Aste" - eine traditionelle Form der Almbewirtschaftung im Zillertal - zeitgemäß betreiben zu können. Die durch die gegenständliche Anlage erzeugte Energie diene insbesondere zur Beleuchtung der Almhütte und der Stallungen sowie zum Betrieb der Melkmaschine und dem Milchkühler.

Die zuständige Behörde wies den Antrag mit der Begründung ab, dass der Miteigentümer (Revisionswerber) eines von der Anlage betroffenen Grundstückes, seine Zustimmung zu deren Errichtung nicht erteilt habe. Weiters lägen die Voraussetzungen für die Einräumung eines Zwangsrechtes nicht vor, weil die Anlage ausschließlich der Stromversorgung der "Aste" diente, sodass an deren Betrieb kein öffentlichen Interesse bestehe. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hob den Bescheid auf und erklärte gleichzeitig die ordentliche Revision für zulässig.

Der VwGH beurteilte in der vorliegenden Entscheidung die Frage, ob an dem gegenständlichen Projekt ein öffentliches Interesse vorliegt, welches die Einräumung des Zwangsrechtes rechtfertigen würde.

Er hielt fest, dass ein in der Agrarstrukturverbesserung begründetes öffentliches Interesse dann zu bejahen ist, wenn das beantragte Vorhaben eine Maßnahme darstellt, die für die Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes unter dem Gesichtspunkt der Existenzsicherung dieses Betriebes oder dem Erfordernis eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebes notwendig ist; rein privatwirtschaftliche Nützlichkeits- bzw. Zweckmäßigkeitserwägungen reichen zur Begründung eines öffentlichen Interesses nicht aus.

Die im konkreten Fall von der mitbeteiligten Partei praktizierte Bewirtschaftung der "Aste" sichert zum einen die Existenz des Vollerwerbsbetriebes; zum anderen ist sie auch für einen zeitgemäßen Wirtschaftsbetrieb notwendig. Diese Agrarstrukturverbesserung liegt somit im allgemeinen (=öffentlichen) Interesse des § 63 lit. b WRG 1959. Der VwGH wies die Revision des Miteigentümers des betroffenen Grundstückes ab und bestätigte die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol. Er hielt fest, dass die zuständige Behörde im fortgesetzten Verfahren die noch ausstehende Interessenabwägung vorzunehmen und festzustellen haben wird, ob die Vorteile im öffentlichen Interesse der Agrarstrukturverbesserung die Nachteile der Zwangseinräumung überwiegen.

Download: Volltext der Entscheidung