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§ 49 ÄrzteG: Stammzellentherapie als Heilversuch

Ra 2015/11/0113 vom 24. April 2019

Nach § 49 ÄrzteG ist ein Arzt u.a. verpflichtet "nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie unter Einhaltung der (…) fachspezifischen Qualitätsstandards" das Wohl der Kranken zu wahren. Der VwGH behandelte in der vorliegenden Entscheidung die Frage, ob der Revisionswerber, ein Facharzt für Chirurgie, indem er eine neuartige Therapieform (hier: autologe Stammzellentherapie) im "klinischen Regelbetrieb" ohne vorhergehende Studie angewendet hat, das Gebot des § 49 ÄrzteG verletzte. 

Der VwGH stellte zunächst klar, dass Stammzellen unter die Arzneimitteldefinition des § 1 Arzneimittelgesetz (AMG) fallen. Den Bestimmungen des AMG kann ein den behandelnden Arzt treffendes generelles Anwendungsverbot nicht zugelassener Arzneimittel nicht entnommen werden. Die Anwendung von Arzneimitteln oder Behandlungsmethoden, deren Nutzen-Risiko-Verhältnis für eine bestimmte Indikation nicht zuvor in klinischen Studien geprüft wurde, wird in der Lehre und der deutschen Judikatur als Heilversuch definiert. Danach ist ein Heilversuch ein Abweichen vom ärztlichen Standard, das in der individuell-konkreten Behandlungssituation angelegt ist, entweder weil der Standard im konkreten Fall nicht weiterhilft oder aber ein Standard für die konkrete Behandlung fehlt, im Unterschied zur klinischen Prüfung allerdings einzelfallbezogen und nicht im Rahmen einer klinischen Forschungsreihe. Es ist nicht ersichtlich, dass bei der Anwendung einer neuen Therapieform (hier: autologe Stammzellentherapie) auf eine größere Anzahl von Patienten und Patientinnen die Qualifikation der Behandlung der einzelnen Person als Heilversuch von vornherein ausscheidet. 

Der VwGH hob das Erkenntnis unter anderem deshalb auf, weil das Verwaltungsgericht seine Annahme der Unzulässigkeit von Heilversuchen nicht auf konkrete Feststellungen zum Ausmaß des Risikos der jeweiligen Behandlung und zur Aufklärung der einzelnen Patientinnen und Patienten gestützt hatte.
 

Download: Volltext der Entscheidung