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Zur Interessenabwägung nach dem NAG: Fehlende Integration der Familie kann minderjährigen Revisionswerbern nicht zugerechnet werden

Ra 2018/22/0193 bis 0194 vom 31. Jänner 2019

Die minderjährigen revisionswerbenden Parteien, türkische Staatsangehörige, wurden in Österreich geboren. Ihre Eltern verfügen über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU", der fünfjährige Bruder hat einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" inne; alle Familienmitglieder sind türkische Staatsangehörige. Auch die minderjährigen revisionswerbenden Parteien verfügten bis 4. August 2017 bzw. 31. Juli 2017 über Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte plus", ihr Vater beantragte jedoch erst nach Ablauf der Gültigkeit der Aufenthaltstitel deren Verlängerung. 

Der Landeshauptmann von Wien wertete die Verlängerungsanträge wegen dieser Verspätung als Erstanträge und wies sie ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht Wien abgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass aufgrund der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 fallbezogen nicht die Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), sondern des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) anzuwenden seien; die Anträge seien somit als Verlängerungsanträge nach dem NAG zu werten und daher grundsätzlich zulässig. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels lagen im vorliegenden Fall nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes jedoch nicht vor, weil die Unterhaltsmittel der Familie nicht ausreichend seien. Nach der vorzunehmenden Interessensabwägung sei eine Rückkehr in die Türkei zumutbar, u.a. weil die Familie der revisionswerbenden Parteien in Österreich weder wirtschaftlich noch sozial integriert sei, die familieninterne Kommunikation überwiegend in türkischer Sprache erfolge und regelmäßig Kontakt zu Verwandten in der Türkei bestehe. Gegen diese Entscheidung richtete sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Der VwGH hielt fest, dass die gegenständlich vorzunehmende Interessensabwägung betreffend die drei- bzw. sechsjährigen revisionswerbenden Parteien, die in Österreich geboren wurden und seither durchgehend mit ihrer Kernfamilie rechtmäßig in Österreich leben, jedenfalls zu ihren Gunsten ausfällt, weil ihnen die fehlende wirtschaftliche und soziale Integration der Familie nicht zugerechnet werden kann und sie auch keinen Einfluss haben, in welcher Sprache innerhalb der Familie kommuniziert wird. Schon aus diesem Grund hob der VwGH das Erkenntnis auf. Dennoch setzte sich der VwGH auch mit der Rechtsprechung des EuGH zum ARB 1/80 auseinander und kam zu dem Schluss, dass die minderjährigen revisionswerbenden Parteien – sofern ihr Vater eine Berechtigung nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erlangte – auch aus dem Blickwinkel des ARB 1/80 ein Aufenthaltsrecht ableiten könnten.
 

Download: Volltext der Entscheidung