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Festnahme und Anhaltung eines dreijährigen Kindes nach Antragstellung auf internationalen Schutz
Ra 2019/14/0290 vom 17. September 2019
Die Eltern der Revisionswerberin stellten für sich und ihre vier minderjährigen Kinder, darunter auch die im Jahr 2012 geborene Revisionswerberin, Anträge auf internationalen Schutz. Sämtliche Familienmitglieder wurden in der Folge festgenommen und angehalten. Sie brachten daraufhin beim Bundesverwaltungsgericht Maßnahmenbeschwerden wegen der am 30. September 2015 erfolgten Festnahmen und der bis 5. Oktober 2015 dauernden Anhaltungen ein.
Das Bundesverwaltungsgericht gab den Beschwerden teilweise statt und erklärte die Anhaltungen für die Zeit von 2. Oktober 2015, 17.30 Uhr, bis 5. Oktober 2015, 17.00 Uhr, für rechtswidrig, weil eine 48 Stunden übersteigende Anhaltung nur im Fall der Anordnung von Schubhaft, die aber nicht verhängt worden sei, gesetzlich gedeckt gewesen wäre. Im Übrigen gab es den Beschwerden keine Folge.
Anlässlich der von der ‑ im Zeitpunkt der Festnahme dreijährigen ‑ Revisionswerberin erhobenen Revision hatte sich der Verwaltungsgerichtshof insbesondere näher mit den Voraussetzungen der Festnahme nach § 40 Abs. 2 BFA‑VG zu befassen. Nach dieser Bestimmung ist die Festnahme "zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt" vorgesehen.
Der VwGH führte aus, dass die für den Anlassfall maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zwar die Festnahme von Minderjährigen nicht ausschließen. Es ist jedoch in dem Fall, in dem Kinder von einer Inhaftierung für den Zweck der Aufenthaltsbeendigung betroffen sind, ein strenger Maßstab anzulegen, zumal sie diesfalls als außerordentlich schutzbedürftig anzusehen sind. Dies gilt auch dann, wenn sie von ihren Eltern begleitet werden.
Das Bundesverwaltungsgericht legte in seiner Entscheidung nicht näher dar, weshalb die Annahme gerechtfertigt gewesen wäre, die Festnahme der Revisionswerberin hätte im Sinn des § 40 Abs. 2 BFA-VG dem Zweck ihrer Vorführung vor das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gedient. Zudem ist nach Auffassung des VwGH nicht ohne Weiteres zu erkennen, warum überhaupt die Vorführung eines dreijährigen Kindes vor das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Betracht gekommen wäre, weil ein solches Kind in der Regel im Verfahren vor dieser Behörde von einem Elternteil vertreten wird. Der VwGH hob daher das angefochtene Erkenntnis auf.