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Einbeziehung gerichtlicher Verfahren für die Prognose bei Asylaberkennung
Ro 2018/01/0014 vom 4. April 2019
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt, der unter anderem dann gegeben ist, wenn aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (§ 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005).
Nach dieser Bestimmung wurde einem russischen Staatsangehörigen tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Status des Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme.
Zusammengefasst hat das BFA dazu unabhängig vom Gang eines allfälligen parallel laufenden Strafverfahrens Feststellungen zum Verhalten des Betroffenen als Obmann zweier Moscheevereine und zu seiner Verbindung zu den wegen Beteiligung als Mitglieder an einer terroristischen Vereinigung bzw. kriminellen Organisation rechtskräftig verurteilten Vereinsmitgliedern getroffen und darauf die Prognose gestützt, der Betroffene stelle eine schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Gegen den Betroffenen sei auch ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts nach § 282a StGB eingeleitet worden.
Die vom Asylgerichtshof im Erkenntnis vom 16. Dezember 2009 angenommene Verfolgung des Betroffenen in seinem Herkunftsstaat liege jetzt nicht vor. Ihm drohe im Fall seiner Rückkehr nach Tschetschenien keine reale Gefahr einer Art. 2 und 3 EMRK Verletzung.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) gab der gegen den Aberkennungsbescheid des BFA erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers statt und hob diesen Bescheid ersatzlos auf. Ohne eigene Feststellungen zu treffen, gründete das BVwG seine Entscheidung zusammengefasst auf die Rechtsansicht, dass bei der Prüfung der Aberkennung des Asylstatus des Betroffenen seitens der Verwaltungsbehörde auf Basis eines von der Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens keine Feststellungen über ein einen gerichtlichen Straftatbestand verwirklichendes Verhalten des Mitbeteiligten getroffen werden dürfen, wenn die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Mitbeteiligten wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nicht einmal zu einer Anklage des Mitbeteiligten geführt hätten. Der Zulässigkeit solcher Feststellungen stünden einerseits das in Art. 94 B-VG verankerte Prinzip der Gewaltentrennung, andererseits Art. 6 EMRK und Art. 48 GRC entgegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hob diese Entscheidung auf und führte aus, der genannte Aberkennungstatbestand erfordert keine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des asylberechtigten Fremden bzw. die Verwirklichung eines gerichtlichen Straftatbestandes durch ihn, sondern unabhängig davon stichhaltige Gründe für die Annahme, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt. Die das Vorliegen dieses Asylaberkennungstatbestandes auf Basis einer Gefährdungsprognose prüfende Asylbehörde und das allenfalls für die Verhängung einer Strafe in Bezug auf das der Gefährdungsprognose zugrunde gelegte Verhalten des Fremden zuständige Gericht entscheiden insofern nicht über dieselbe Sache. Der vom BVwG in diesem Zusammenhang angenommene Verstoß gegen den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung nach Art. 94 Abs. 1 B-VG ist somit nicht ersichtlich. Die Gefährdungsprognose ist vom Verwaltungsgericht als Voraussetzung für die zu prüfende Erlassung der administrativrechtlichen Maßnahme der Aberkennung des Status eines Asylberechtigten eigenständig aus dem Blickwinkel des Asylrechts vorzunehmen.
Im weiteren Verfahren wird das Verwaltungsgericht daher gestützt auf eigene Feststellungen zum Gesamtverhalten des Mitbeteiligten eine eigenständige Gefährdungsprognose vorzunehmen haben.