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Gilt grenzüberschreitendes Bordservicepersonal als entsendet, wenn es die wesentlichen Arbeitsleistungen im Heimatstaat erbringt?

Ra 2017/11/0093-0094, Ra 2017/11/0098 vom 30. Jänner 2020

Mit Erkenntnissen des Landesverwaltungsgerichtes Wien vom März 2017 wurde der Revisionswerber als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit Sitz in Ungarn schuldig erkannt, Arbeitnehmer mit ungarischer Staatsangehörigkeit nach Österreich zur Erbringung von Arbeitsleistungen (Bordservice in Zügen der ÖBB) entsandt zu haben, ohne näher bezeichnete Bestimmungen des AVRAG zum Schutz vor Lohn- und Sozialdumping (so etwa die Bereithaltung der Lohnunterlagen der Arbeitnehmer) erfüllt zu haben und deshalb mit Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen belegt.

Der Revisionswerber bestritt unter anderem, den Verpflichtungen der Entsenderichtlinie RL 96/71/EG zu unterliegen, weil nach den Feststellungen die betroffenen Arbeitskräfte in Ungarn wohnhaft und sozialversichert seien, dort ihren Lebensmittelpunkt hätten und ihren Dienst in Ungarn antreten und auch beenden würden. Die Arbeitnehmer würden in Ungarn die dort gelagerten Waren ausfassen und in die Züge bringen sowie die Kontrollen des Warenstands und die Abrechnung der Umsätze durchführen. Alle Arbeitsleistungen, außer das Bordservice in den Zügen, würden somit in Ungarn erbracht.

Für den VwGH entscheidungswesentlich waren vorerst die Fragen der Anwendbarkeit der Entsenderichtlinie bzw. die Verhältnismäßigkeit der Bereithaltepflicht der Arbeitsunterlagen für Arbeitskräfte, die - in einer Konstellation wie der vorliegenden - ihre Dienstleistungen nur für kurze Zeit in Österreich erbringen. Mit Beschluss vom 15. Dezember 2017 (EU 2017/0012-0015), legte der Verwaltungsgerichtshof diesbezügliche Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Mit Urteil vom 19. Dezember 2019, "Dobersberger", C-16/18, stellte der EuGH klar, dass ein Arbeitnehmer nicht als "entsandt" iSd Entsenderichtlinie gilt, wenn seine Arbeitsleistung keine hinreichende Verbindung zum Hoheitsgebiet eines Staates, in dem normalerweise nicht arbeitet, aufweist.
Im Ausgangsverfahren sei eine solche hinreichende Verbindung zum österreichischen Bundesgebiet zu verneinen.

In den fortgesetzten Revisionsverfahren führte der VwGH aus, dass auch die hier maßgeblichen Bestimmungen des AVRAG, weil es sich um Ausführungsbestimmungen der Entsenderichtlinie handelt, die vom EuGH verlangte "hinreichende Verbindung" zum Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaates, in welchem die Dienstleistung erbracht wird, voraussetzen.

Somit galten in den Revisionsfällen die in den Zügen der ÖBB tätigen ungarischen Arbeitskräfte nicht als nach Österreich zur Dienstleistung "entsandt", weshalb den Revisionswerber die ihm als übertreten angelasteten Verpflichtungen des AVRAG nicht trafen, sodass er zu Unrecht bestraft wurde. Der VwGH entschied sogleich in der Sache, hob das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Strafverfahren ein.

Download: Volltext der Entscheidung