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Rechtsprechung zum Wiener Auskunftspflichtgesetz
Ra 2019/03/0128 vom 26. März 2021
Ein Medienunternehmen beantragte für eine Recherche beim Magistrat der Stadt Wien (Magistrat) eine Auskunft nach dem Wiener Auskunftspflichtgesetz darüber, in welchen periodischen Printmedien die Stadt Wien Inserate unter 5.000 € geschalten hat und wie hoch der Auftragswert pro Printmedium im jeweiligen Quartal war. Zudem wurde Auskunft darüber verlangt, in welchen nicht-periodischen Printmedien (Medien, die weniger als viermal im Jahr erscheinen) Inserate geschalten wurden und welchen Quartalsauftragswert diese hatten. Die Anfrage bezog sich auf die Quartale zwischen Jänner 2015 bis August 2018 und sollte jene Inserate erfassen, für die keine Melde- und Veröffentlichungspflichten nach dem "Medientransparenzgesetz" (MedKF-TG) bestehen.
Der Magistrat erließ einen Bescheid, mit dem er die Auskunft verweigerte. Einer dagegen erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) statt, wogegen der Magistrat wiederum eine Amtsrevision erhob.
Der VwGH setzte sich in weiterer Folge mit mehreren Fragen auseinander, die sich im Zusammenhang mit dem Auskunftsbegehren gestellt hatten.
Zunächst brachte der Magistrat vor, dass dem Wiener Auskunftspflichtgesetz das MedKF-TG und das Bundesvergabegesetz (2006 bzw. 2018) als speziellere Gesetze (leges speciales) derogiert hätten und deshalb die Auskunft nicht zu erteilen gewesen wäre. Dazu stellte der VwGH klar, dass die genannten Gesetze alle unterschiedliche Regelungsinhalte haben. Das MedKF-TG dient der Förderung der Transparenz und sieht dafür regelmäßige Melde- und Veröffentlichungspflichten vor, es regelt jedoch nicht die Erteilung von Auskünften. Für die Annahme, dass mit einem Gesetz zur Förderung der Transparenz gleichzeitig das Recht auf Erteilung einer Auskunft eingeschränkt werden soll, fehlt jeder Anhaltspunkt. Auch sehen zwar die vergaberechtlichen Vorschriften die Wahrung gewisser vertraulicher Informationen vor, es lässt sich daraus jedoch nicht ableiten, dass alle Informationen im Zusammenhang mit Vergabeverfahren stets als vertraulich zu behandeln wären und nicht bekannt gegeben werden dürften.
Die Behörde befürchtete weiters, dass aufgrund des mit der Auskunftserteilung verbundenen erheblichen Aufwands die Besorgung der übrigen Aufgaben beeinträchtigt werden würde. Dies vermag jedoch keine pauschale Auskunftsverweigerung zu rechtfertigen, hielt der VwGH dazu fest. Die Auskunft ist "insoweit" zu erteilen, als dadurch die Besorgung der übrigen Aufgaben nicht beeinträchtigt wird. Es könnte etwa zunächst eine Übersichtsauskunft erteilt werden, um zu verhindern, dass die übrigen Besorgungen gefährdet werden. Für die Prüfung, ob die Besorgung der übrigen Aufgaben gefährdet ist, bedarf es dementsprechender Feststellungen der Verwaltungsbehörde bzw. des -gerichts - insbesondere zu den Gegebenheiten der Organisation und dem mit der Auskunftserteilung verbundenen Aufwand.
Nichts anderes gilt hinsichtlich der Verschwiegenheitspflicht. Auch hier reicht es zur Auskunftsverweigerung nicht aus, pauschal auf gesetzliche Verschwiegenheitspflichten (etwa zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen) und auf den Datenschutz zu verweisen. Vielmehr hat die Behörde über Vorgänge, die nicht der Verschwiegenheit unterliegen, Auskünfte zu erteilen und in allen anderen Fällen mit einem (begründeten) Bescheid die Auskunft darüber zu verweigern. Dies setzt ebenfalls dementsprechende Ermittlungen voraus.
Im vorliegenden Fall hat der Magistrat kein (erkennbares) Ermittlungsverfahren durchgeführt. Nachdem das Medienunternehmen Beschwerde erhob, verzichtete der Magistrat auf Teilnahme an der mündlichen Verhandlung, verwies aber erneut auf den - aus seiner Sicht - mit der Auskunftserteilung verbunden erheblichen Aufwand. Das Verwaltungsgericht sah darin eine Verletzung der Mitwirkungspflicht und folgerte, dass den Ausführungen des Magistrats daher nicht zu folgen sei. Dabei hat das Verwaltungsgericht übersehen, dass es selbst amtswegig zu Ermittlungen verpflichtet ist. Der VwGH betonte, dass die bloße Nichtteilnahme einer Partei an einer mündlichen Verhandlung nicht ohne Weiteres als Verletzung der Mitwirkungspflicht zu werten ist, zumal der Magistrat auf diesen Umstand auch nicht hingewiesen wurde.
Der Magistrat brachte zudem vor, dass die Magistratsabteilung 53 (Presse- und Informationsdienst), an die das Auskunftsbegehren gestellt worden war, nicht über alle benötigten Informationen verfüge, weil diese Informationen viele Magistratsabteilungen betreffen würden. Der VwGH wies darauf hin, dass der Magistrat eine verwaltungsbehördliche Einheit darstellt. Der inneren organisatorischen Gliederung kommt nach außen keine rechtliche Bedeutung zu.
Schließlich vermeinte der Magistrat, dass kein "Recht auf Information" bestehe, weil die Auskunft "schlicht nicht notwendig" sei, um eine öffentliche Debatte zu schaffen. Hier übersieht der Magistrat, dass mit dem Wiener Auskunftspflichtgesetz ein Recht auf Auskunft und somit auch ein "Recht auf Information" vorgesehen ist. Aus welchen Gründen eine Auskunft darüber hinaus ersucht wird (bspw. als Beitrag zur öffentlichen Debatte), ist dabei unerheblich. Eine etwaige Interessenabwägung (nach Art. 10 EMRK) ist (erst) dann vorzunehmen, wenn einem Auskunftsbegehren - nach entsprechenden Ermittlungen - gegebenenfalls Verschwiegenheitspflichten entgegenstehen.
Im Endergebnis konnte der VwGH in der Sache selbst entscheiden, indem er der Beschwerde stattgab, den Bescheid des Magistrats aufhob und die Angelegenheit - aufgrund des Fehlens jedweder Ermittlungen - an diesen zurückverwies.