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Die Anonymisierung von Entscheidungen ist ein Akt der Rechtsprechung
Ra 2019/04/0106 vom 9. August 2021
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Landesverwaltungsgericht) hielt auf seiner Website den Text einer seiner Entscheidungen einschließlich der darin wiedergegebenen und unter anderem das Geburtsdatum des Beschwerdeführers enthaltenden Geschäftszahl des Verwaltungsverfahren zum Download bereit.
Dadurch erachtete sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten verletzt und brachte bei der Datenschutzbehörde eine unter anderem gegen das Landesverwaltungsgericht gerichtete Datenschutzbeschwerde nach § 31 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 ein.
Die Datenschutzbehörde gab der Datenschutzbeschwerde Folge und stellte fest, dass die Präsidentin des Landesverwaltungsgerichts als Justizverwaltungsorgan den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten verletzt habe. Begründend führte die Datenschutzbehörde im Wesentlichen aus, sie sei insofern für die Datenschutzbeschwerde zuständig, als das Salzburger Landesverwaltungsgerichtsgesetz die hier maßgebliche Entscheidungsdokumentation der Präsidentin als Justizverwaltungsorgan zuordne und nicht der Gerichtsbarkeit. Die durch das Salzburger Landesverwaltungsgerichtsgesetz gebotene Anonymisierung sei in Bezug auf das Geburtsdatum des Beschwerdeführers nicht vollständig vorgenommen worden. Die Datenschutzbeschwerde sei daher berechtigt.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) unter Bejahung der Zuständigkeit der Datenschutzbehörde ab. Dagegen erhob das Landesverwaltungsgericht Revision.
Der VwGH setzte sich mit der für die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde wesentlichen und in der Revision aufgeworfenen grundsätzlichen Rechtsfrage auseinander, welchem Organ die Anonymisierung der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts zwecks Veröffentlichung zukam und ob dieses Organ funktional der Gerichtsbarkeit oder der Justizverwaltung zuzurechnen ist.
Dazu legte der VwGH zunächst dar, dass der Salzburger Landesgesetzgeber (im Gegensatz zum Bundesgesetzgeber betreffend den OGH und den VwGH) nicht ausdrücklich geregelt hat, wem die Anonymisierung zu veröffentlichender Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes obliegt.
In weiterer Folge ging der VwGH auf die Zwecke der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen und zwar die Rechtssicherheit, indem es dem Rechtssuchenden eine neben dem Gesetz bestehende Rechtsquelle insbesondere über die Anwendung und Auslegung des geltenden Rechts erschließt, und die Transparenz, indem es eine wirksame Kontrolle gerichtlicher Entscheidungen durch die Öffentlichkeit ermöglicht, ein. Um dabei die Persönlichkeitsrechte der am Verfahren beteiligten Personen zu wahren, bedarf es der Anonymisierung personenbezogener Daten. Dabei ist zwischen dem Persönlichkeitsschutz der am Verfahren beteiligten Personen und dem Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der Rechtsprechung abzuwägen. Die Entscheidung, welche personenbezogenen Daten in gerichtlichen Entscheidungen zu anonymisieren sind, ohne den Sinngehalt des Entscheidungstextes wesentlich zu verändern, vermag am ehesten das Entscheidungsorgan zu treffen.
Davon ausgehend kam der VwGH zum Ergebnis, dass die Anonymisierung der den Beschwerdeführer betreffenden Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts zum Zweck der Veröffentlichung einen Akt der Rechtsprechung darstellt, für den die Datenschutzbehörde nicht zuständig war.
Der VwGH entschied schließlich in der Sache selbst, gab der Revision Folge, und änderte die Entscheidung der Datenschutzbehörde dahingehend ab, dass die Datenschutzbeschwerde wegen Unzuständigkeit der Datenschutzbehörde zurückgewiesen wurde.