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Umweltinformationsgesetz: Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse können der Erteilung von Informationen über "Emissionen in die Umwelt" nicht entgegenstehen

Ra 2020/07/0065 vom 6. Juli 2021

Im vorliegenden Fall betreibt ein Landwirt einen Gutshof am Ufer eines Flusses, den er zur Bewässerung seiner biologisch-dynamischen Landwirtschaft nutzt. Mehrere Kilometer flussaufwärts betreibt ein Unternehmen eine industrielle Produktionsanlage. Die in der Produktion anfallenden Abwässer werden von der Betreiberin einer Kläranlage auf der Grundlage einer behördlichen Bewilligung nach vorheriger Reinigung in den Fluss eingeleitet.

Mit Bescheid bewilligte die zuständige Behörde der Betreiberin der Kläranlage die Erhöhung der Abwassermenge und setzte gleichzeitig mehrere Grenzwerte für bestimmte Stoffe fest (etwa für Kupfer, Chlorid oder Sulfat). Zur Einhaltung dieser Grenzwerte wurden der Betreiberin jährliche Messungen des Abwassers und die Übermittlung der Ergebnisse dieser Messungen an die Behörde vorgeschrieben. Dieser Bescheid wurde auch dem Landwirt zugestellt.

Auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes (UIG) ersuchte der Landwirt um Übermittlung der Messergebnisse der letzten Jahre. In einer Stellungnahme sprachen sich sowohl das Industrieunternehmen als auch die Betreiberin der Kläranlage unter Bezugnahme auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gegen die vollständige Erteilung dieser Informationen aus. Gerade aus den Mengen der zu messenden Stoffe ließen sich Rückschlüsse auf den (geheimen) Produktionsprozess des Industrieunternehmens ziehen.

In weiterer Folge verweigerte die Behörde dem Landwirt aus diesem Grund die Informationen zu den betreffenden Stoffen in den Abwässern des Industrieunternehmens.

Der Landwirt erhob dagegen Beschwerde, welche vom zuständigen Verwaltungsgericht abgewiesen wurde, wogegen der Landwirt wiederum Revision erhob.

Der VwGH setzte sich mit dem Recht auf freien Zugang zu Umweltinformationen und der Mitteilung dieser nach § 4 und 5 UIG auseinander. Dazu führte er unter Hinweis auf die Aarhus-Konvention sowie die Umweltinformations-Richtlinie (Umweltinformations-RL) und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aus, (ein) Ziel der Umweltinformations-RL ist, dass die Bekanntgabe von Umweltinformationen der Regelfall sein muss und dafür ein möglichst umfassender Zugang zu Umweltinformationen durch die nationalen Behörden zu gewähren ist. Zwar dürfen nationale Behörden die Informationserteilung bei berechtigtem Interesse ablehnen, dies gilt jedoch nicht für Informationen über "Emissionen in die Umwelt". Dieser Begriff ist weit auszulegen und umfasst etwa auch Ableitungen oder Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt.

Bei den Messergebnissen der Abwässer handelt es sich jedenfalls um "Umweltinformationen" im Sinne der Umweltinformations-RL. Die Ergebnisse sind auch Informationen über "Emissionen in die Umwelt", weshalb nach der Umweltinformations-RL für nationale Behörden kein Recht besteht, die Erteilung der Informationen (etwa aufgrund von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen) abzulehnen.

Die betreffenden Bestimmungen (§ 4, 5) des UIG, mit welchem die Umweltinformations-RL umgesetzt wurde, sind daher in dieser unionsrechtskonformen Auslegung anzuwenden. Soweit das UIG die Informationserteilung auf jene Emissionen in die Umwelt beschränkt, die "in zeitlich aggregierter oder statistisch dargestellter Form" vorliegen, ist diese Beschränkung aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs außer Acht zu lassen, weil die Umweltinformations-RL eine solche Beschränkung nicht vorsieht.

Somit ging das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon aus, dass Geschäfts- und Betriebsgeheinisse des Industrieunternehmens der Erteilung von Informationen von "Emissionen in die Umwelt" entgegenstehen, weshalb der VwGH die angefochtene Entscheidung aufhob.

Download: Volltext der Entscheidung