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COVID-19-Beschränkungen erlauben die Anreise zur Befragung als Auskunftsperson bei einem Untersuchungsausschuss
Ra 2021/03/0001 vom 8. Februar 2021
Im Oktober 2020 lud der "Ibiza"-Untersuchungsausschuss des Nationalrates (Untersuchungsausschuss) eine Auskunftsperson für eine Befragung im November 2020. Die geladene Auskunftsperson blieb der Befragung jedoch fern und begründete ihr Fernbleiben im Wesentlichen mit dem Risiko einer COVID-19-Infektion und der damit verbunden Gesundheitsgefährdung für sich bzw. für ihren Ehepartner.
Der Untersuchungsausschuss beantragte die Verhängung einer Beugestrafe für die Nichtbefolgung der Ladung beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG), welches mit Beschluss vom Dezember 2020 eine Beugestrafe in der Höhe von 2.000 € verhängte. Dabei ging das BVwG davon aus, dass die Auskunftsperson keine genügende Entschuldigung für die Nichtbefolgung der Ladung dargelegt habe.
Die Auskunftsperson erhob gegen diese Entscheidung Revision.
Der VwGH erkannte den Bedarf klärender Rechtsprechung zu der Frage, wann eine "genügende Entschuldigung" im Sinne des § 36 Abs. 1 Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA) vorliegt und, ob die zu dem Zeitpunkt (November 2020) geltenden Ausgangsbeschränkungen eine solche "genügende Entschuldigung" darstellen.
Zunächst hielt der VwGH fest, dass im Verfahren über die Verhängung von Beugestrafen das BVwG nur zu überprüfen hat, ob eine betroffene Person einer Ladung ohne genügende Entschuldigung keine Folge geleistet hat. Somit war durch das BVwG etwa nicht zu beurteilen, ob die Ladung der Auskunftsperson überhaupt oder zu einem bestimmten Zeitpunkt erforderlich war, oder, ob auch eine Befragung über eine Videokonferenz möglich wäre.
Zur Frage, ob die Gesundheitsgefährdung der Auskunftsperson bzw. ihres Ehepartners eine "genügende Entschuldigung" im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA darstellt, führte der VwGH weiter aus, dass die Befragung von Auskunftspersonen einen wesentlichen Beitrag zur Wahrnehmung der Kontrollfunktion des Untersuchungsausschusses durch diesen leistet. Aus diesem Grund sind an die Pflicht, einer Ladung Folge zu leisten, strenge Anforderungen zu stellen, die zumindest gleich streng sind wie jene, die für Ladungen zu Behörden oder Gerichten gelten.
Ob eine "genügende Entschuldigung" vorliegt, hängt davon ab, ob die Auskunftsperson durch den Hinderungsgrund tatsächlich abgehalten wurde und diesen Hinderungsgrund auch nicht (vorher) beseitigen konnte. Es ist hierbei Aufgabe der Auskunftsperson, dies aufzuzeigen.
Im vorliegenden Fall war die Auskunftsperson selbst nicht aus Krankheitsgründen verhindert, sondern hat lediglich eine allgemeine Sorge um eine Gesundheitsgefährdung für sich und ihren Ehepartner vorgebracht. Unter Berücksichtigung der im Untersuchungsausschuss getroffenen Hygieneschutzmaßnahmen war das BVwG davon ausgegangen, dass das Infektionsrisiko für die Auskunftsperson nicht derart war, dass es unzumutbar gewesen wäre, die Ladung zu befolgen. Diese Beurteilung wurde vom VwGH geteilt. Bei der auch unter Einhaltung aller Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen sowie unter Befolgung der maßgeblichen gesundheitsrechtlichen Vorschriften nicht gänzlich auszuschließenden Gefahr einer Infektion handelt es sich um einen Umstand, der dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen ist. Die Sorge, dass sich dieses allgemeine Lebensrisiko verwirklichen könnte, ist jedoch keine "genügende Entschuldigung" im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA.
Schließlich stellen auch die geltenden COVID-19-Maßnahmen keine genügende Entschuldigung dar: Zwar handelt es sich beim Untersuchungsausschuss weder um eine Behörde noch um ein Gericht, sondern um ein Organ der Gesetzgebung. Bei der Ladung wird der Untersuchungsausschuss jedoch "behördlich" tätig, weshalb die Ausnahmebestimmung gemäß § 1 Abs. 1 Z 6 COVID‑19‑NotMV, wonach der private Wohnbereich zur Wahrnehmung eines unaufschiebbaren behördlichen Weges verlassen werden darf, die Anreise - auch zur Vermeidung von Pflichtenkollisionen - erlaubt.
Der VwGH wies die Revision ab.Download: Volltext der Entscheidung