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§ 32 EpiG: Die Vergütung des Verdienstentgangs umfasst auch Sonderzahlungen
Ra 2021/09/0094 vom 24. Juni 2021
Im Juni 2020 ordnete der Magistrat der Stadt Wien (Magistrat) eine (nachträgliche) Absonderung eines Mitarbeiters eines Unternehmens an. Der Mitarbeiter erkrankte an COVID-19 und war von 28. April 2020 bis 13. Mai 2020 in Quarantäne (abgesondert).
Im September 2020 stellte das Unternehmen für einen Teil der Absonderung einen Antrag auf Vergütung für die Entgeltfortzahlung des Mitarbeiters gemäß § 32 Epidemiegesetz (EpiG) an den Magistrat.
Der Magistrat gab dem Antrag teilweise statt und erkannte dem Unternehmen eine Vergütung gemäß § 32 EpiG in anteiliger Höhe des dem Mitarbeiter entgangenen Grundentgelts zu. Hinsichtlich etwaiger Sonderzahlungen habe das Unternehmen jedoch nicht nachgewiesen, dass diese im Absonderungszeitraum auch tatsächlich ausbezahlt worden seien, weshalb eine anteilige Vergütung für deren Entgang nicht zuerkannt werde.
Das Unternehmen erhob dagegen Beschwerde.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom Jänner 2021 wurde dem Unternehmen auch eine Vergütung nach § 32 EpiG für die entgangenen (anteiligen) Sonderzahlungen zuerkannt.
Dagegen erhob der Magistrat Revision.
Der VwGH setzte sich mit der Frage auseinander, in welchem Ausmaß eine Vergütung eines Verdienstentgangs nach § 32 EpiG zuzuerkennen sei.
Dazu führte er aus, dass sich die Höhe der zu leistenden Vergütung nach § 32 Abs. 3 EpiG nach dem "regelmäßigen Entgelt" nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) bemisst. Nach diesem ist jenes Entgelt zu verstehen, dass einem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre. Im Sinne eines "Ausfallsprinzips" soll ein betroffener Arbeitnehmer während der Nichtarbeitszeiten einkommensmäßig so gestellt werden, als hätte er die ausgefallene Arbeit tatsächlich erbracht. Dabei soll er in dieser Zeit wirtschaftlich weder besser noch schlechter gestellt werden.
Weil hierbei von einem arbeitsrechtlichen und weit auszulegenden Entgeltbegriff auszugehen ist, sind mit dem Entgeltbegriff alle Zahlungen erfasst, welche für geleistete Arbeit gewährt werden. Weil auch Sonderzahlungen als Gegenleistung für erbrachte Arbeit geleistet werden, fallen auch diese unter den Entgeltbegriff des EFZG, auf welchen wiederum § 32 EpiG verweist.
Somit umfasst eine Vergütung des Verdienstentgangs nach § 32 EpiG neben dem Grundentgelt auch etwaige Sonderzahlungen. Diese sind - entgegen der Ansicht des Magistrats - aber nicht nur dann zu vergüten, wenn die Absonderung in einen Monat fällt, in dem Sonderzahlungen ausbezahlt werden. Vielmehr sind Sonderzahlungen bei der Bemessung der für jeden Tag der Absonderung zu leistenden Vergütung stets aliquot einzubeziehen. Dabei ist nach § 32 Abs. 3 EpiG der dem Arbeitnehmer gebührende Vergütungsbetrag vom Arbeitgeber an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über.
Auch die in § 33 und § 49 Abs. 1 EpiG genannten Fristen, die eine Geltendmachung des Anspruchs auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 EpiG binnen sechs Wochen bzw. drei Monaten vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen vorsehen, ändern daran nichts. Diese Bestimmungen können nämlich nicht dahingehend verstanden werden, dass eine derartige Geltendmachung noch nicht möglich bzw. zulässig wäre, wenn der Antrag zwar nach der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen, aber vor den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen bzw. vor erfolgter Zahlung durch den Arbeitgeber gestellt wird. Der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges ist vom Arbeitgeber vielmehr binnen der genannten Fristen geltend zu machen, auch wenn der Übergang erst nach diesem Zeitpunkt eintritt.
Der VwGH wies die Revision ab.