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§ 55 Ärztegesetz: Zur Definition von "ärztlichen Zeugnissen" und deren Anforderungen

Ro 2020/09/0016 vom 22. September 2021

Im vorliegenden Fall wurde eine Ärztin vom Disziplinarrat der Ärztekammer bestraft, weil sie gegen ihre Berufspflichten verstoßen habe. Sie habe in einer "gutachterlichen Stellungnahme" einer Person eine Demenzerkrankung und eine sich daraus ergebende Geschäftsunfähigkeit attestiert, ohne die betroffene Person untersucht zu haben. Sie stützte sich bei der Erstellung des "ärztlichen Gutachtens" lediglich auf die Unterlagen ihrer Auftraggeberin. Dadurch habe die Ärztin gegen die Verpflichtung einer gewissenhaften ärztlichen Untersuchung nach § 55 Ärztegesetz verstoßen. Der Disziplinarrat verhängte eine bedingt nachgesehene Geldstrafe in der Höhe von 15.000 Euro.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) gab der dagegen erhobenen Beschwerde insofern statt, als es die verhängte Strafe in einen "schriftlichen Verweis" (Rüge) umwandelte.

Die Ärztin erhob gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Revision.

Der VwGH beschäftigte sich mit der Frage, ob die Anforderungen des § 55 Ärztegesetz nur für "ärztliche Zeugnisse" gelten oder auch für "Gutachten" oder "gutachterliche Stellungnahmen".

Dazu hielt er fest, dass nach § 55 Ärztegesetz ein Arzt ärztliche Zeugnisse nur nach gewissenhafter ärztlicher Untersuchung und nach genauer Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsachen nach seinem besten Wissen und Gewissen ausstellen darf. Dabei ist als "ärztliches Zeugnis" jede vom Arzt ausgestellte Urkunde anzusehen, in der medizinische Tatsachen bestätigt werden. Es ist für den VwGH nicht erkennbar, warum dies nicht auch für "gutachterliche Stellungnahmen" (oder "Gutachten" im Allgemeinen) gelten soll: Die revisionswerbende Ärztin bringt in diesem Zusammenhang vor, dass in "ärztlichen Zeugnissen" Wahrnehmungen festgehalten werden, in einem Gutachten aus dem erhobenen Befund Schlussfolgerungen gezogen würden. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Feststellung, ob eine Krankheit vorliegt (oder nicht), geradezu den Normalfall eines ärztlichen Zeugnisses darstellt. Aus diesem Grund sowie unter Verweis auf die historischen Materialien kam der VwGH daher zu der Ansicht, dass auch die Erstellung einer "gutachterlichen Stellungnahme" den Anforderungen des § 55 Ärztegesetz entsprechen muss.

Zur weiteren Frage, ob die Ärztin gegen § 55 Ärztegesetz verstoßen habe, führte der VwGH aus, dass dies nach den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen ist. Der VwGH verwies dazu auf Rechtsprechung des OGH, wonach die Ausstellung eines ärztlichen Zeugnisses ohne vorherige Untersuchung als Ausnahmefall einer nachvollziehbaren Begründung bedarf.

Im Ausgangsfall ging das Verwaltungsgericht jedoch zu Recht davon aus, dass die Ärztin gegen § 55 Ärztegesetz verstoßen hat. Zwar brachte die Ärztin vor, die betreffende Person habe sich nicht untersuchen lassen. Es wäre ihr aber etwa möglich gewesen, die betroffene Person (zumindest) im Rahmen einer Gerichtsverhandlung zu beobachten. Sie stützte sich bei der Erstellung der gutachterlichen Stellungnahme jedoch nur auf die Unterlagen ihrer Auftraggeberin, die zusätzlich in diesem Gerichtsverfahren selbst Partei ist. Dies entspricht nicht den Anforderungen des § 55 Ärztegesetz, ein ärztliches Zeugnis (nur) nach gewissenhafter ärztlicher Untersuchung und nach genauer Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsachen nach besten Wissen und Gewissen auszustellen.

Der VwGH wies die Revision ab.

Download: Volltext der Entscheidung