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Wien: In der Vollziehung der örtlichen Marktpolizei besteht ein innergemeindlicher Instanzenzug
Ro 2019/04/0001 vom 12. November 2021
Im vorliegenden Fall widerrief der Magistrat der Stadt Wien im Jänner 2017 mit Bescheid die Zuweisung eines Marktplatzes an einen Standbetreiber, weil dieser der Zahlung der Marktgebühren nicht nachgekommen sei. Gleichzeitig ordnete der Magistrat an, dass dieser seinen Marktplatz zu räumen habe. Rechtsgrundlage dieser Bescheide war die Wiener Marktordnung 2006 (Marktordnung), die der Magistrat der Stadt Wien auf Grund der Gewerbeordnung erlassen hatte.
Der Standbetreiber wendete sich gegen diese Bescheide mit Beschwerden an das Verwaltungsgericht Wien.
Das Verwaltungsgericht Wien wies die Beschwerden wegen Unzuständigkeit zurück. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass die Bescheide nach der Marktordnung im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde ergangen seien, für den der innergemeindliche Instanzenzug bisher nicht ausgeschlossen worden sei. Das Verwaltungsgericht deutete die Beschwerden als – aus seiner Sicht zulässige – Berufungen, führte aber aus, dass es für deren Behandlung unzuständig sei. Zuständig sei daher zunächst der Gemeinderat der Stadt Wien, dem die (nunmehrigen) Berufungen vorzulegen seien.
Der Magistrat der Stadt Wien erhob dagegen eine Amtsrevision.
Der VwGH setzte sich mit der Frage auseinander, ob in diesem Fall der Vollziehung der örtlichen Marktpolizei ein innergemeindlicher Instanzenzug in Wien besteht.
Dazu hielt er zunächst fest, dass nach der Gewerbeordnung die örtliche Marktpolizei im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde vollzogen wird (diese liegt im Interesse der Gemeinde und ist auch geeignet, von ihr vollzogen zu werden). Auch bei der Marktordnung handelt es sich um eine von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich erlassenen Verordnung.
Mit der Einführung der Verwaltungsgerichte wurde der innergemeindliche Instanzenzug für die Bundes- und Landesverwaltung beseitigt. Nach Art. 118 Abs. 4 zweiter Satz B‑VG besteht in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde jedoch weiterhin ein zweistufiger Instanzenzug. Dieser Instanzenzug verläuft innerhalb der Verwaltung zwischen den Organen der Gemeinde. Aber auch dieser innergemeindliche Instanzenzug kann durch den Bundes- oder Landesgesetzgeber in den jeweiligen Materiengesetzen ausgeschlossen werden. Nach Art. 112 B‑VG gelten diese Bestimmungen über die Gemeinden auch für die Bundeshauptstadt Wien.
Soweit der Materiengesetzgeber den innergemeindlichen Instanzenzug im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat, muss zunächst dieser ausgeschöpft werden, bevor eine Beschwerde an ein Verwaltungsgericht erhoben werden kann.
Gesetzgeber der Gewerbeordnung ist der Bund, der bestimmte Angelegenheiten des Marktwesens – darunter die Vollziehung der örtlichen Marktpolizei - den Gemeinden zur Vollziehung im eigenen Wirkungsbereich übertragen hat. Der Bundesgesetzgeber hat in der Gewerbeordnung den innergemeindlichen Instanzenzug bisher nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Dieser besteht daher weiterhin, auch wenn der Wiener Landesgesetzgeber diesen (für Landesmaterien) ausgeschlossen hat.
Es kann auch aus dem Umstand, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber die frühere Berufungsbehörde (Berufungssenat) der Stadt Wien aufgelöst hatte, nicht geschlossen werden, dass im eigenen Wirkungsbereich der Stadt Wien der innergemeindliche Instanzenzug ausgeschlossen werden sollte, so der VwGH weiter. Ebenso ist es der Stadt nicht verwehrt, den Berufungssenat für jene Angelegenheiten, die nicht an die Verwaltungsgerichte übergegangen sind, wieder zu errichten.
Weil der Standbetreiber den innergemeindlichen administrativen Instanzenzug der Stadt Wien bisher noch nicht ausgeschöpft hatte, wies das Verwaltungsgericht seine Beschwerden daher zu Recht zurück. Der VwGH wies die Revision somit ab.