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§ 99 Abs. 1 lit. c StVO: Zur Verweigerung der Blutabnahme, wenn bereits Blut abgenommen wurde
Ro 2020/02/0011 vom 21. Dezember 2020
Im vorliegenden Fall kam ein Motorradfahrer durch einen Unfall zu Sturz und erlitt dabei mehrere Brüche. Die von ihm erst am nächsten Morgen gerufene Rettung verständigte die Polizei. Eine kurz darauf eingetroffene Polizistin forderte den Motorradfahrer aufgrund seines Alkoholgeruchs zur Durchführung eines Alkotests auf. Aufgrund seiner Schmerzen konnte der Motorradfahrer einen solchen nicht durchführen, weshalb er von der Polizistin zu einer Blutabnahme aufgefordert wurde. Die Rettung brachte den Motorradfahrer daraufhin ins Spital.
Die dort anwesende Ärztin nahm dem Motorradfahrer Blut ab. Dabei teilte ihm die Ärztin mit, dass die Blutabnahme neben medizinischen Gründen auch allenfalls deshalb erfolge, weil ein Verdacht auf einen Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss bestehen könne.
Zwei Polizistinnen trafen in weiterer Folge beim Krankenhaus ein, wobei eine Beamtin ebenfalls Alkoholgeruch beim Motorradfahrer wahrnahm. Diese forderte ihn auf, einen Alkotest durchzuführen, welcher jedoch abermals fehlschlug. Die Beamtin forderte ihn daher ebenfalls zu einer Blutabnahme auf, welche vom Motorradfahrer letztlich abgelehnt wurde: Er verwies darauf, dass ihm bereits Blut abgenommen worden sei und dieses Blut auch für das Verwaltungsstrafverfahren verwendet werden könne.
Sowohl die zuständige Bezirkshauptmannschaft als auch das Verwaltungsgericht werteten dies als Verweigerung der Blutabnahme und verhängten über den Motorradfahrer eine Geldstrafe.
Der Motorradfahrer erhob gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Revision.
Der VwGH setze sich mit der Frage auseinander, ob eine Blutabnahme auch dann als verweigert anzusehen sei, wenn bereits unmittelbar vor dieser Aufforderung eine Blutabnahme zu medizinischen Zwecken erfolgt sei und der Motorradfahrer zugestimmt hatte, diese auch für ein Verwaltungsstrafverfahren verwerten zu lassen.
Zunächst führte er aus, dass die Blutuntersuchung nur dann durchzuführen ist, wenn eine Durchführung eines Alkotests (etwa aus gesundheitlichen Gründen) faktisch nicht möglich ist.
Für eine Blutabnahme muss der Verdacht einer Alkoholbeeinträchtigung bei dem Polizisten entstanden und auch aufrecht sein, der die betroffene Person zur Blutabnahme zum Arzt zu bringen beabsichtigt bzw. mit diesem "in Verbindung bringt", was einer "Verbringung" gleichzusetzen ist.
Die betreffende Person ist mit einem Arzt bereits "in Verbindung gebracht", wenn ein Polizist den Verdacht einer Alkoholbeeinträchtigung hatte und jemanden um eine Blutabnahme ersuchte. Dabei ist es unerheblich, wie oder von wem der schlussendlich behandelnde Arzt erfahren hat, dass er eine Blutabnahme vornehmen soll.
Einer Blutabnahme kann auch konkludent (nicht ausdrücklich) zugestimmt werden, sofern der betroffenen Person vorher mitgeteilt wurde, aus welchem Grund man ihr Blut abnehmen wolle.
Im vorliegenden Fall war beim Motorradfahrer eine Testung mittels Alkotest aus gesundheitlichen Gründen (Rippenbrüche) nicht möglich, weshalb die Polizistin ihn daher zu Recht zur Blutabnahme aufforderte. Die die Blutabnahme in der Folge durchführende Ärztin hat den Motorradfahrer ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass die Blutabnahme (auch) wegen eines Verdachts auf einen Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss erfolge. Indem der Motorradfahrer sich daraufhin Blut abnehmen ließ, hat er somit auch der Blutabnahme zur Testung des Alkoholgehalts zugestimmt - sie ergab im Übrigen einen Alkoholgehalt von 0,8 Promille.
Der Motorradfahrer hatte sich somit in dieser Fallkonstellation nicht geweigert, sich Blut abnehmen zu lassen, weshalb er zu Unrecht bestraft worden war.
Der VwGH hob die angefochtene Entscheidung auf.