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Umsatzsteuer: Der Verkauf eines vermieteten Bürohauses bewirkt umsatzsteuerlich neue Mietverhältnisse iSd § 28 Abs. 38 Z 1 UStG, was der Option zur Steuerpflicht der Vermietung entgegenstehen kann

Ra 2019/13/0084 vom 20. Oktober 2021

Eine GmbH mit Geschäftsgegenstand Vermietung und Verpachtung von Grundstücken kaufte mit einem Vertrag aus Mai 2014 ein mit einem Bürogebäude bebautes Grundstück. Die im Kaufpreis enthaltene Umsatzsteuer machte die GmbH zur Gänze als Vorsteuer geltend.

Bei einer Umsatzsteuersonderprüfung ergab sich, dass ein Teil des Bürogebäudes an Unternehmer, die unecht umsatzsteuerfreie Leistungen erbringen, vermietet ist. Das Finanzamt berücksichtigte daher in diesem Ausmaß die geltend gemachten Vorsteuern nicht, weil insoweit die Option gemäß § 6 Abs. 2 UStG zur Steuerpflicht der Vermietung nicht mehr ausgeübt werden könne.

In der gegen den Umsatzsteuerbescheid erhobenen Beschwerde brachte die GmbH vor, dass sie durch den Kauf des Grundstücks in die bestehenden Mietverträge eingetreten sei. Die Mietverhältnisse bestünden zivilrechtlich unverändert weiter. Daher sei eine Option zur Steuerpflicht der Vermietung auch für die GmbH als neue Vermieterin zulässig und der gesamte Vorsteuerbetrag zu berücksichtigen.

Das Bundesfinanzgericht (BFG) folgte der Ansicht der GmbH und berücksichtigte den gesamten geltend gemachten Vorsteuerbetrag. Das BFG vertrat die Ansicht, dass die GmbH durch den Kauf des Grundstücks in die bestehenden Mietverträge eingetreten sei. Entsprechend der Übergangsbestimmung gem. § 28 Abs. 38 Z 1 UStG seien zivilrechtlich keine neuen Mietverträge zustande gekommen. Die Option gemäß § 6 Abs. 2 UStG könne daher vollumfänglich ausgeübt werden.

Gegen diese Entscheidung erhob das Finanzamt Revision. Der VwGH hob die angefochtene Entscheidung als inhaltlich rechtswidrig auf.

Der VwGH hatte zu beurteilen, ob § 6 Abs. 2 UStG in der Fassung vor oder nach dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 für die GmbH zur Anwendung gelangt. Die Option zur Steuerplicht der Vermietung von Geschäfts- und Büroräumen gemäß § 6 Abs. 2 UStG in der Fassung nach dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 ist nur noch möglich, wenn der Mieter bzw. der Pächter zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Die Inkrafttretensbestimmung des  § 28 Abs. 38 Z 1 UStG sieht vor, dass die Option auf neue Miet- und Pachtverhältnisse, die nach dem 31. August 2012 beginnen, anzuwenden ist. Entscheidend ist somit der Beginn des Mietverhältnisses. Damit ist aber nicht der zivilrechtliche Vertragsabschluss gemeint. Der zivilrechtliche Eintritt in den Vertrag kann das Vorliegen eines neuen Miet- oder Pachtverhältnisses im Sinne der genannten Inkrafttretensbestimmung daher nicht ausschließen.

Es würde dem Ziel, welches mit der Änderung der Bestimmung des § 6 Abs. 2 UStG durch das 1. Stabilitätsgesetz 2012 verfolgt wurde, entgegenstehen, wenn nach Inkrafttreten der neuen Regelung die frühere Rechtslage weiterhin angewendet werden würde, soweit im Wissen um die geänderte Rechtslage Dispositionen getroffen werden, die sich auf das Miet- oder Pachtverhältnis auswirken. Das Vorliegen eines "neuen" Miet- oder Pachtverhältnisses im Sinne des § 28 Abs. 38 Z 1 UStG kann daher nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass es zivilrechtlich zu einem Eintritt einer anderen Person - auf Vermieter- oder auf Mieterseite - in den bestehenden Miet- oder Pachtvertrag kommt (ausgenommen im Fall des Mieterwechsels bei eintretender zivilrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge aufgrund einer Konzernverschmelzung).

Damit hat das Mietverhältnis zwischen der GmbH als Grundstückskäuferin und den Altmietern im Sinne des § 28 Abs. 38 Z 1 UStG nach dem 31. August 2012 "begonnen", so dass die Option zur Steuerpflicht gemäß § 6 Abs. 2 UStG nicht mehr (zur Gänze) möglich war. Die angefochtene Entscheidung des BFG erwies sich daher als inhaltlich rechtswidrig.


Download: Volltext der Entscheidung