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Zur Ausgewogenheit des ORF-Radioprogramms
Ra 2021/03/0068 bis 0078 vom 10. Februar 2022
Im vorliegenden Fall wandten sich mehrere Privatradiobetreiber mit einer Aufsichtsbeschwerde gemäß § 36 ORF‑G an die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) und brachten vor, dass der Radiosender Ö3 einen unangemessen niedrigen Wortanteil aufgewiesen habe. Dieser Radiosender bzw. alle Radiosender des ORF insgesamt hätten kein differenziertes Gesamtprogramm der Kategorien Information, Kultur, Unterhaltung und Sport angeboten, wie es im ORF‑G vorgeschrieben sei.
Diese Beschwerde wurde von der KommAustria letztlich abgewiesen. Die Behörde befand, dass durch den ORF ein ausgewogenes Radioprogramm angeboten worden sei.
Auch das in weiterer Folge angerufene Bundesverwaltungsgericht (BVwG) kam zu dieser Ansicht und wies die Beschwerde gegen die Entscheidung der KommAustria ebenfalls ab.
Die Privatradiobetreiber wandten sich schließlich mittels Revision an den VwGH.
Der VwGH setzte sich mit der Beurteilung des angemessenen Verhältnisses der Kategorien Information, Kultur, Unterhaltung und Sport im Radioprogramm des ORF auseinander.
Zunächst hielt er fest, dass zur Beurteilung des angemessenen Verhältnisses dieser Kategorien im Radioprogramm eine Betrachtung des gesamten Radioprogramms und nicht bloß einzelner Radiosender vorzunehmen ist.
Der VwGH setzte sich in seiner Rechtsprechung bereits mit der Beurteilung der Ausgewogenheit des Fernsehprogramms des ORF auseinander, führte aber zum vorliegenden Fall aus, dass aufgrund der Unterschiede zwischen Fernsehen und Radio das Fernsehprogramm und das Radioprogramm des ORF getrennt zu betrachten und auf ihre jeweilige Eigenheiten Bedacht zu nehmen sind. So kann im Radio, anders als im Fernsehen, nicht jede Kategorie (Information, Kultur, Unterhaltung und Sport) durch alle Formate abgedeckt werden. Etwa, weil ein Musikprogramm weder dem Sport noch der Information zugeordnet werden kann. Bei der Beurteilung der Ausgewogenheit des Radioprogramms ist dieser Unterschied zu beachten und sind somit andere Beurteilungskriterien für die Ausgewogenheit des Radioprogramms heranzuziehen.
Die Beurteilung des gesamten Radioprogramms muss auch über einen längeren Zeitraum erfolgen, um den Gestaltungsspielraum des ORF nicht unverhältnismäßig einzuschränken.
Der Umstand, dass mehr als die Hälfte des Radioprogramms der Unterhaltung zuordnen ist, reicht nicht aus, um von einem unangemessenen Verhältnis der Kategorien auszugehen. Es kommt hier nicht auf eine bestimmte rechnerische Größe an. Alle Kategorien müssen auch nicht stets in einem (nahezu) gleichen Umfang berücksichtigt werden. Vielmehr kommt dem ORF ein Gestaltungsspielraum zu, der es ihm ermöglicht, einzelne Kategorien in seinem Radioprogramm stärker oder weniger stark zu bedienen. Dabei muss ein angemessenes Verhältnis der Kategorien gewährleistet bleiben. Ein unangemessenes Verhältnis würde etwa dann vorliegen, wenn eine der Kategorien überhaupt nicht im Radioprogramm des ORF vertreten wäre. Dies traf im vorliegenden Fall jedoch nicht zu.
Im Übrigen hielt der VwGH fest, dass sich aus dem ORF‑G weder ein Mindestwortanteil noch die Verpflichtung zur Aufnahme bestimmter Sendungen ins Radioprogramm ergibt.
Der VwGH wies die Revision ab.