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Kein Waffenpass für Angehörigen des Jagdkommandos
Ra 2021/03/0114 vom 16. November 2021
Ein Bundesheerangehöriger, der als Mitglied des Jagdkommandos im Jahr 2018 mehrere Monate in Afghanistan eingesetzt war, beantragte wegen dieser Tätigkeit bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft (BH) die Ausstellung eines Waffenpasses.
Die BH wies mit Bescheid vom Jänner 2021 den Antrag ab: Mögliche Gefährdungen im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit begründeten keinen Bedarf zum - privaten - Führen einer Schusswaffe, weil keine Anhaltspunkte für eine erhöhte Gefährdung der persönlichen Sicherheit außerhalb des Dienstes bestünden. Zwar könne für Angehörige des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der Militärpolizei und der Justizwache auch ohne Bestehen einer besonderen Gefährdung ein Waffenpass ausgestellt werden. Der Antragsteller gehöre aber nicht zu dieser Berufsgruppe.
Der Antragsteller erhob daraufhin Beschwerde an das Verwaltungsgericht.
Das Verwaltungsgericht gab der Beschwerde im Mai 2021 Folge und dem Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses statt.
Dem legte das Gericht im Wesentlichen zu Grunde, dass die berufliche Tätigkeit des Jagdkommandosoldaten ebensowenig einen Bedarf begründe wie mögliche Terroranschläge.
Im Wege einer Ermessensentscheidung sei ihm aber dennoch ein Waffenpass auszustellen, weil er sich aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in einer Gefahrensituation befinde, die die eines durchschnittlichen Bürgers übersteige und einem Bedarf nahekomme. Außerdem sei aufgrund seiner Ausbildung zu erwarten, dass bei einem Schusswaffengebrauch durch ihn unbeteiligte Dritte nicht gefährdet würden.
Die BH erhob gegen diese Entscheidung eine Amtsrevision, mit der sie im Wesentlichen geltend machte, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts weiche von der Judikatur des VwGH ab. Der Jagdkommandosoldat machte - als Mitbeteiligter in der Revisionsbeantwortung - geltend, die Entscheidung entspreche der Rechtslage.
Der VwGH hatte sich daher mit der Frage auseinanderzusetzen, unter welchen Voraussetzungen - bei Umständen wie im vorliegenden Fall - Waffenpass auszustellen ist.
Zunächst hielt der VwGH fest, dass das Waffengesetz (WaffG) für die Ausstellung eines Waffenpasses den Nachweis eines Bedarfs zum Führen von Schusswaffen verlangt. Kann ein Bedarf nicht nachgewiesen werden, liegt die Ausstellung im Ermessen der Behörde.
Ein Bedarf wird begründet entweder durch eine besondere Gefahrenlage oder durch die Zugehörigkeit zu einer der im WaffG genannten Berufsgruppen (etwa öffentlicher Sicherheitsdienst, Militärpolizei oder Justizwache).
Wenn - wie im Revisionsfall - kein Bedarf nachgewiesen werden kann und deshalb eine Ermessensentscheidung zu treffen ist, sind dafür folgende Gesichtspunkte entscheidend:
Eine positive Ermessensentscheidung setzt voraus, dass private Interessen am Führen einer Schusswaffe bestehen, die einem Bedarf nahekommen und dass das öffentliche Interesse an der Abwehr der mit einem Waffengebrauch verbundenen Gefahren nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt wird. Das WaffG verlangt eine restriktive Handhabung der Ermessensbestimmung.
Der Antragsteller hat eine konkrete Gefährdung seiner Person nicht geltend gemacht. Mit der vom Verwaltungsgericht angesprochenen Möglichkeit, Mitglieder des Jagdkommandos könnten von (afghanischen) Extremisten ausgespäht oder von Terroristen auch im Inland angegriffen werden, wurde nicht dargelegt, dass sich die Situation des Antragstellers von der anderer Mitglieder des Jagdkommandos entscheidend abhebt.
Allein die Zugehörigkeit zum Jagdkommando begründet weder einen besonderen Bedarf noch einen entscheidenden Gesichtspunkt bei der Ermessensentscheidung. Das WaffG fordert für die Ausstellung eines Waffenpasses nämlich grundsätzlich den Nachweis einer besonderen Gefahrenlage oder zumindest den Bestand einer dem nahekommenden Situation. Nur für Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Angehörige der Militärpolizei und der Justizwache reicht die Zugehörigkeit zur entsprechenden Berufsgruppe.
Auch wenn in bestimmten Situationen das Einschreiten eines nicht im Dienst befindlichen, aber privat eine Schusswaffe führenden Angehörigen des Jagdkommandos zweckmäßig sein könnte, um etwa einen bewaffneten Angriff abzuwehren, ist allein deshalb kein Waffenpass auszustellen. Hinzu tritt, dass durch "privates" Einschreiten eines Jagdkommandoangehörigen, der für Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes als solcher nicht erkennbar ist, erst recht wieder zusätzliche Gefahrenmomente (schon wegen möglicher Missverständnisse oder Verwechslungen) bestünden.
Der österreichische Gesetzgeber hat sich mit den restriktiven Regelungen im WaffG dafür entschieden, dass nur bei Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen ein Waffenpass ausgestellt wird und damit die Möglichkeit besteht, im öffentlichen Raum eine Schusswaffe zu führen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist also nicht für alle "qualifizierten Bürger" - also alle Menschen, die verlässlich sind und mit einer Schusswaffe gut umgehen können - ein Waffenpass auszustellen.
Der VwGH hat daher die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dahingehend korrigiert, dass der Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses abgewiesen wird.