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Kein Verstoß gegen den Absonderungsbescheid bei Aufenthalt in einer leeren Wohnung an einem anderen Ort
Ra 2022/03/0124 vom 20. September 2022
Der vorliegende Fall betrifft ein im Bezirk Korneuburg lebendes Ehepaar. Der Ehemann leidet an mehreren Krankheiten und muss unter anderem in der Nacht an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden. Im November 2020 testete sich das Paar auf eine Covid-19-Infektion. Tags darauf erhielt die Ehefrau ein positives Ergebnis, der Ehemann jedoch nicht. Der Ehemann teilte der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (BH Korneuburg) mit, dass seine Ehefrau positiv getestet wurde. Zum Schutz der eigenen Gesundheit beabsichtigte er nach Wien zu fahren, wo das Ehepaar über eine Wohnung verfügte. Die Behörde äußerte gegen dieses Vorhaben zunächst keine Bedenken. Sie rief den Ehemann jedoch bereits nach seiner Abfahrt nach Wien nochmals an, revidierte ihre Aussage und teilte ihm mit, dass sie für (eine Absonderung) in Wien nicht zuständig sei.
Noch am gleichen Tag erhielt der Ehemann von der BH Korneuburg einen Bescheid, der ihm auftrug, sich am Wohnort im Bezirk abzusondern. Der Ehemann verblieb jedoch allein in seiner Wiener Wohnung, die er während der Quarantäne nur zu Zwecken der angeordneten PCR-Testungen verließ.
Im Februar 2021 verhängte die BH Korneuburg mit Bescheid eine Strafe über den Ehemann, weil er sich nicht an den Absonderungsbescheid gehalten habe. Der Ehemann erhob gegen den Bescheid eine Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, das den Bescheid insofern bestätigte, als es lediglich die Strafe etwas herabsetzte.
Der Ehemann erhob dagegen Revision an den VwGH.
Der VwGH hielt vorweg zu behördlich angeordneten Absonderungen fest, dass es nicht im Belieben der abgesonderten Person liegt, einen anderen Ort als den behördlich angeordneten Absonderungsort frei zu wählen, auch wenn ein solcher vernünftig(er) erscheinen mag. Mit seinem Aufenthalt in Wien für die Dauer der Absonderung hatte der Ehemann daher zunächst objektiv gegen die Anordnung im Absonderungsbescheid, sich am Wohnort im Bezirk Korneuburg aufzuhalten, verstoßen.
Für eine strafbare Verwaltungsübertretung bedarf es jedoch darüber hinaus neben der objektiven Erfüllung des Tatbestands auch der Erfüllung eines subjektiven Tatbestands (Vorsatz oder Fahrlässigkeit).
Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts litt der Ehemann an mehreren Erkrankungen, welche eine Covid-19-Infektion für ihn besonders riskant machten. Seine Ehefrau war mit einer Infektion am Wohnort im Bezirk Korneuburg abgesondert, während ihm eine leere Wohnung in Wien zur Verfügung stand. Für den VwGH war es verständlich, dass der Ehemann beschloss, sich für die Dauer der Infektion der Ehefrau in Wien aufzuhalten. Darüber informierte der Ehemann auch vorab die BH Korneuburg, welche dagegen zunächst - vor seiner Abfahrt nach Wien - keine Einwände erhob. Die Behörde relativierte anschließend ihre Zusage, sprach zu diesem Zeitpunkt aber noch keine Absonderung aus. Der Ehemann konnte daher weiterhin davon ausgehen, dass er in Wien verbleiben konnte. Spätestens mit der Zustellung des Absonderungsbescheids hätte dem Ehemann aber klar sein müssen, dass er sich im Bezirk Korneuburg hätte absondern müssen. Er ging aber gleichzeitig davon aus, dass er nicht mehr nachhause fahren durfte. Der VwGH hielt dazu fest, dass er sehr wohl - rechtlich - nachhause fahren dürfte bzw. sogar musste. Aufgrund dieser Zweifel des Ehemanns über die Auslegung des Absonderungsbescheids verneinte der VwGH jedoch einen Vorsatz des Ehemanns.
Zur Frage, ob der Ehemann fahrlässig gegen den Absonderungsbescheid verstoßen habe hielt der VwGH fest, dass dies dann der Fall wäre, wenn der Ehemann die ihm objektiv gebotene Sorgfalt außer Acht ließ. Als Maßfigur für die objektive Sorgfaltspflicht dient ein einsichtiger und besonnener Mensch, den man in die Lage des Täters zu versetzen hat. Eine Verletzung der objektiven Sorgfaltspflicht liegt dann vor, wenn sich diese Maßfigur in der gleichen Situation anders als der Täter verhalten hätte. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch zu verneinen. Denn gerade, dass der Ehemann sich in der Wohnung in Wien aufhielt, diese auch außer zur Testung auch nicht verließ, erzeugte er keine Infektionsgefahr für sein Umfeld und schützte dabei auch sich selbst. Im Übrigen hat der VwGH bereits festgehalten, dass eine Person, die sich selbst absondert, genau das macht, was das der Absonderung zugrundeliegende Gesetz von einer verständigen Bürgerin bzw. Bürger erwartet (siehe dazu auch Ro 2022/03/0002 vom 10. Februar 2022). Der Ehemann hatte daher auch nicht fahrlässig gegen den Absonderungsbescheid verstoßen.
Der VwGH entschied in der Sache und stellte das Verfahren ein.