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§ 135 GewO 1994: Kein Revisionsrecht der Arbeiterkammer bei Verfahren über die Entziehung der Gewerbeberechtigung für die Überlassung von Arbeitskräften
Ro 2021/04/0019 vom 7. Februar 2022
Im vorliegenden Fall beantragte die Arbeiterkammer Wien die Entziehung der Gewerbeberechtigung zur Überlassung von Arbeitskräften eines Personaldienstleisters, weil dieser nicht mehr die dafür notwendige gewerberechtliche Zuverlässigkeit aufweise. Der Magistrat der Stadt Wien entzog im Juni 2018 die entsprechende Gewerbeberechtigung mit Bescheid.
Der Personaldienstleister wandte sich in weiterer Folge mit einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien, welches den Bescheid ersatzlos aufhob. Das Verwaltungsgericht begründete dies damit, dass der Magistrat für die Entziehung der Gewerbeberechtigung notwendige Verfahrensschritte nicht eingehalten habe.
Die Arbeiterkammer Wien erhob dagegen Revision an den VwGH, der sich insbesondere mit der Frage auseinandersetzte, ob der Arbeiterkammer Wien in einem Entziehungsverfahren, wie dem vorliegenden, gemäß § 135 GewO 1994 ein Recht zur Erhebung einer Revision zukommt.
Dazu führte er aus, dass gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B‑VG gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes Revision erheben kann, wer durch das Erkenntnis in seinen (subjektiven öffentlichen) Rechten verletzt zu sein behauptet. Gemäß Art. 133 Abs. 8 B‑VG kann durch Bundes- oder Landesgesetze bestimmt werden, wer in anderen als den in Art. 133 Abs. 6 B‑VG genannten Fällen Revision erheben kann.
Zwar ist die Arbeiterkammer gemäß § 135 Abs. 6 GewO 1994 berechtigt, die Entziehung der Gewerbeberechtigung "Überlassung von Arbeitskräften" zu beantragen, ein Gutachten an die Behörde abzugeben und eine Beschwerde zu erheben. Die Möglichkeit der Revisionserhebung gemäß Art. 133 Abs. 8 B‑VG ist in dieser Bestimmung jedoch nicht eingeräumt.
Eine Revision wegen der Verletzung in subjektiven Rechten gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B‑VG setzt wiederum die Möglichkeit der Verletzung in subjektiv-öffentlichen Rechten voraus. Ob solche subjektiv-öffentlichen Rechte eingeräumt werden, wird durch Auslegung ermittelt. Wobei nicht jede Bestimmung des objektiven öffentlichen Verwaltungsrechts gleichzeitig ein subjektives Recht einräumt. Das Vorliegen eines subjektiv-öffentlichen Rechts ist dann zu bejahen, wenn eine Vorschrift nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern (zumindest auch) dem Interesse Einzelner dient (etwa eine Gewerbeberechtigung oder eine Baubewilligung), wobei sich dieses Interesse Einzelner gegen den Staat als Träger der Hoheitsgewalt richten muss.
Im vorliegenden Fall konnte der VwGH nicht erkennen, dass der Arbeiterkammer Wien in § 135 Abs. 6 GewO 1994 ein subjektives Recht (auf Entziehung einer Gewerbeberechtigung) eingeräumt wurde. Dazu verwies er auf seine bisherige Rechtsprechung sowie auf Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, wonach aus dem Bestehen einzelner Parteirechte (etwa die Möglichkeit zur Abgabe eines Gutachtens oder zur Erhebung einer Berufung bzw. einer Beschwerde) nicht auf die Einräumung von subjektiven Rechten geschlossen werden kann.
Auch die GewO 1994 differenziert in anderen Bestimmungen ausdrücklich zwischen den für die Interessensvertretungen (in unterschiedlichem Ausmaß) vorgesehenen Mitwirkungsrechten (auch Revisionsrechte), was ebenfalls gegen die Einräumung eines Revisionsrechts in § 135 Abs. 6 GewO 1994 spricht, so der VwGH weiter.
In Zusammenhang mit der Durchsetzung von Verfahrensrechten ist in der Rechtsprechung ein Revisionsrecht von Formalparteien anerkannt, im vorliegenden Fall hatte die Arbeiterkammer jedoch keine Verletzung eines Verfahrensrechts geltend gemacht.
Soweit die Arbeiterkammer schließlich auf ihre Stellung als Selbstverwaltungskörper, der die Interessen seiner Mitglieder wahrnimmt, hinwies, entgegnete der VwGH unter Hinweis auf bisherige Rechtsprechung, dass aus den den Mitgliedern zustehenden Rechten keine subjektiv-öffentlichen Rechte der Interessenvertretung abgeleitet werden können.
Somit kam der Arbeiterkammer Wien das Recht nicht zu, eine Revision gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu erheben, weshalb der VwGH die Revision zurückwies.