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AuslBG: Ein bereits laufender Geschäftsbetrieb eines Arbeitgebers ist keine Voraussetzung für die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte für eine Schlüsselarbeitskraft

Ro 2021/09/0002 vom 1. September 2022

Im vorliegenden Fall beantragte im November 2019 eine iranische Staatsangehörige (Antragstellerin) beim AMS die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte als Schlüsselarbeitskraft um bei einem Handelsunternehmen zu arbeiten. Die Antragstellerin verfügte unter anderem über ein im Iran abgeschlossenes Medizinstudium samt Berufserfahrung und wies – teils sehr gute – Sprachkenntnisse in Englisch und Deutsch auf.

Das Handelsunternehmen, das die Antragstellerin zu beschäftigten beabsichtigte, wurde im September 2019, sohin erst zwei Monate vor Antragstellung, als GmbH gegründet. Im Jänner 2020 erwarb das Unternehmen die Gewerbeberechtigung ("Handelsgewerbe"), hatte aber zum für den VwGH zur Überprüfung maßgeblichen Zeitpunkt (Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, in Folge: BVwG) noch keine Geschäftstätigkeit entfaltet und verfügte darüber hinaus auch über kein Geschäftslokal oder eine Webseite. Das Unternehmen plane in weiterer Zukunft auch den Vertrieb von Medizinprodukten. Im Jahresabschluss 2019 wies das Unternehmen Aktiva in der Höhe von ca. 17.300 € auf. Es sei erst in ungefähr 18 Monaten mit einem Gewinn zu rechnen. Für die Antragstellerin war in dem Unternehmen eine Stelle in der Beratung und im Vertrieb mit einem monatlichen Bruttogehalt von ungefähr 3.300 € vorgesehen.

Sowohl das AMS als auch in weiterer Folge das BVwG wiesen den Antrag auf Erteilung der Rot-Weiß-Rot-Karte ab.

Das BVwG hielt dazu zunächst fest, dass die Antragstellerin die im Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) vorgesehenen Mindestpunkte in Alter, Qualifikation, Berufserfahrung sowie Sprachkenntnisse erreiche. Dennoch sei die Karte nicht zu erteilen. Es sei nämlich bei der Erteilung der Rot-Weiß-Rot-Karte "sonstige Schlüsselkraft" auch ein Anforderungsprofil des Unternehmens, das sich in einer "betrieblichen Notwendigkeit" (somit den Bedarf eines inländischen Unternehmens, einen ausländischen Arbeitnehmer bzw. eine Arbeitnehmerin zu beschäftigen) ausdrückt, zugrunde zu legen. Im vorliegenden Fall habe das Unternehmen noch keinen Geschäftsbetrieb aufgenommen. Ein solcher sei jedoch Voraussetzung, um von einer "betrieblichen Notwendigkeit" zu sprechen, so das BVwG weiter.
Darüber hinaus sei auch fraglich, ob das Unternehmen die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen gewährleisten könne, was ebenfalls eine Voraussetzung für die Erteilung der Rot-Weiß-Rot-Karte darstelle. Es sei nämlich nicht gesichert, dass es dem Unternehmen – in Hinblick darauf, dass erst in 18 Monaten mit einem Gewinn zu rechnen sei – möglich sei, der Antragstellerin das vorgesehene Gehalt auszuzahlen. Der Antrag sei daher abzuweisen gewesen.

Die Antragstellerin erhob gegen die Entscheidung des BVwG eine Revision.

Der VwGH setzte sich mit den Fragen auseinander, ob für die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte für eine Schlüsselarbeitskraft Voraussetzung ist, dass der Geschäftsbetrieb des aufnehmenden Unternehmens bereits aufgenommen wurde bzw. ob dies auch erst mit der Schlüsselarbeitskraft erfolgen könne und, ob es einer Erteilung der Karte entgegensteht, wenn die Auszahlung des Gehalts – wie im vorliegenden Fall vom BVwG  angenommen – nicht gesichert erscheint.

Dazu hielt der VwGH fest, dass es Sache des beschäftigenden Unternehmens sei, das Anforderungsprofil (den Bedarf) hinsichtlich des zu besetzenden Arbeitsplatzes und der konkreten Tätigkeiten festzulegen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ist die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) an das angegebene Anforderungsprofil gebunden. Weder aus dem Gesetz noch aus der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ergibt sich hierbei die Voraussetzung, dass der vorgesehene Arbeitsplatz bereits mit einer anderen Arbeitskraft besetzt gewesen sein musste, vielmehr kann dieser Arbeitsplatz im Betrieb auch neu geschaffen werden. Es ist auch kein bereits laufender Geschäftsbetrieb erforderlich. Die Erteilung der Rot-Weiß-Rot-Karte könnte unter diesem Aspekt nur dann versagt werden, wenn der Arbeitsplatz tatsächlich nicht oder nicht auf die angegebene Art und Weise besetzt werden soll.

Soweit das BVwG die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch das Unternehmen für fraglich hält, stellte der VwGH unter Verweis auf seine Rechtsprechung klar, dass die genannten Bedingungen zwar weit zu verstehen sind. Aber alleine aus dem Umstand, dass erst in 18 Monaten mit einem Gewinn des Unternehmens zu rechnen sei, könne nicht abgeleitet werden, dass der Antragstellerin kein Gehalt gezahlt werden könne und dadurch gegen die Lohn- und Arbeitsbedingungen verstoßen werde. Für eine solche Annahme bedürfte es weiterer Feststellungen durch das BVwG, die diese zu tragen vermögen (etwa, wenn gar keine Aufnahme eines Geschäftsbetriebes geplant wäre, wovon das BVwG jedoch selbst nicht ausging). So wies der VwGH schließlich daraufhin, dass das Gehalt der Antragstellerin etwa durch weiteres Fremd- oder Eigenkapital finanziert werden könne.

Der VwGH hob die angefochtene Entscheidung daher auf.


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