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Erwachsenenvertretung: Ein Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft ist eine "wichtige Angelegenheit" und bedarf einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung

Ro 2022/01/0014 vom 18. Oktober 2022

Im vorliegenden Fall beantragte ein Anwalt als Erwachsenenvertreter für eine Frau die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft bei der Wiener Landesregierung. Die Wiener Landesregierung ging davon aus, dass für einen solchen Antrag eine Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht nötig sei. Weil eine solche pflegschaftsgerichtliche Genehmigung jedoch nicht eingeholt wurde, wies die Wiener Landesregierung den Antrag zurück. Auch das Verwaltungsgericht Wien wies die dagegen erhobene Beschwerde ab. Das Gericht ging davon aus, dass gemäß § 250 Abs. 3 ABGB ein Erwachsenenvertreter für "wichtige Angelegenheiten" der Personensorge die Genehmigung des Pflegschaftsgerichtes einzuholen habe. Ein Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft sei eine solche "wichtige Angelegenheit", weshalb ohne eine Genehmigung der Antrag unzulässig sei.

Die Frau erhob - vertreten durch ihren Anwalt - Revision. Darin warf sie die Frage auf, ob die Stellung eines Antrags auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft eine "wichtige Angelegenheit" nach § 250 Abs. 3 ABGB darstellt. Sie ging nämlich davon aus, dass mit dem Erwachsenenschutzgesetz die Autonomie der betroffenen Personen gestärkt werden solle. Eine Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht sei in dieser Angelegenheit daher nicht notwendig.

Der VwGH wies zunächst darauf hin, dass es sich bei der Bestimmung des § 250 Abs. 3 ABGB um eine Bestimmung des Zivilrechts handelt. In bestimmten Konstellationen haben Verwaltungsgerichte zur Lösung von "Vorfragen" zivilrechtliche Bestimmungen auszulegen. Dabei kommt dem VwGH bei der Auslegung zivilrechtlicher Bestimmungen keine Leitfunktion zu. Seine Prüfkompetenz ist viel mehr lediglich auf die Frage beschränkt, ob dem Verwaltungsgericht bei der Auslegung eine krasse Fehlentscheidung unterlaufen ist.

Eine solche krasse Fehlentscheidung liegt in der Regel dann nicht vor, wenn die Verwaltungsgerichte die betreffende zivilrechtliche Bestimmung im Einklang mit der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte, insbesondere des Obersten Gerichtshofes (OGH), ausgelegt haben.

Der OGH hat zu einer Vorgängerbestimmung des hier anzuwendenden § 250 Abs. 3 ABGB bereits klargestellt, dass eine "wichtige Angelegenheit" einer vertretenen Person dann vorliegt, wenn sie das körperliche oder geistige Wohl der betroffenen Person in einem überdurchschnittlichen Ausmaß betrifft und somit dieses Wohl bei einer fehlerhaften Vertretung ernsthaft gefährdet wäre.

Die Erläuterungen zum 2. Erwachsenenschutzgesetz halten fest, dass als "wichtige Angelegenheiten" vor allem jene Angelegenheiten gelten, die in § 167 Abs. 2 ABGB aufgezählt werden. Diese Bestimmung regelt die gesetzliche Vertretung von Kindern durch ihre Eltern und zählt (nach der Rechtsprechung des OGH abschließend) jene Angelegenheiten auf, bei denen beide Elternteile zustimmen müssen. Dazu gehört etwa die Änderung des Vornamens oder des Familiennamens oder aber auch der Erwerb einer Staatsangehörigkeit bzw. der Verzicht auf eine solche. Durch das 2. Erwachsenenschutzgesetz soll die Autonomie der Betroffenen ausgebaut werden und die "gerichtliche Rechtsfürsorge" auf ihren "Kern, nämlich die Vertretung von Menschen in rechtlichen Belangen" zurückgeführt werden.

Auch der VwGH hielt bereits die wesentliche Bedeutung des Erwerbs einer Staatsangehörigkeit für eine Person fest (siehe dazu Ro 2021/01/0010 vom 2. April 2021).

Der VwGH stellte abschließend klar, dass der Erwerb einer Staatsangehörigkeit unzweifelhaft eine wichtige Angelegenheit darstellt, die der Genehmigung durch ein Gericht bedarf. Da somit keine krasse Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichts aufgezeigt wurde, wies der VwGH die Revision zurück.


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