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Einkommensteuer: Progressionsvorbehalt auch im Quellenstaat
Ra 2021/13/0067 vom 7. September 2022
Die Revisionswerberin hatte sowohl in der Türkei als auch in Österreich einen Wohnsitz. Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Österreich-Türkei (DBA-Türkei) war sie in der Türkei ansässig. Wegen ihres Wohnsitzes war sie auch in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist. Die Revisionswerberin bezog Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die sie zum Teil in Österreich, in der Türkei oder in einem anderen Staat verrichtet.
Im Zuge der Veranlagung in Österreich wurde jener Anteil der Einkünfte, der nach dem DBA-Türkei der Türkei zugewiesen wurde, in Österreich zum Progressionsvorbehalt herangezogen.
Das Bundesfinanzgericht (BFG) berücksichtigte ebenfalls einen Progressionsvorbehalt. Das BFG begründete seine Entscheidung damit, dass das DBA-Türkei keine Aussage enthalte, ob die Besteuerung von Einkünften durch den Staat, aus dem sie stammen, mit oder ohne Anwendung des Progressionsvorbehaltes vorgenommen werde solle, so dass die Anwendung des Progressionsvorbehaltes nicht unzulässig sei.
Der VwGH wies die gegen diese Entscheidung erhobene Revision ab und begründete:
Ein Teil der Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit der Revisionswerberin darf nach dem DBA-Türkei nur in der Türkei besteuert werden. Die aus der Tätigkeit in Österreich erzielten Einkünfte werden hingegen in Österreich besteuert.
Bei der Beurteilung der Steuerpflicht grenzüberschreitender Sachverhalte muss zuerst der Steueranspruch nach innerstaatlichem Steuerrecht, also dem EStG 1988, ermittelt werden. Nach § 1 Abs. 2 EStG 1988 ist bei unbeschränkter Steuerpflicht in Österreich das Welteinkommen heranzuziehen. Aus diesem errechnet sich der anzuwendende Durchschnittssteuersatz. In weiterer Folge wird jener Teil des Einkommens, für welches Österreich durch das DBA die Besteuerungsbefugnis entzogen wird, aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden. Auf das übrig gebliebene Einkommen ist dann der Durchschnittssteuersatz anzuwenden. Innerstaatlich hat der Progressionsvorbehalt seine Rechtsgrundlage in § 1 Abs. 2 EStG 1988.
Das DBA-Türkei steht der Anwendung des Progressionsvorbehaltes für den Quellenstaat nicht entgegen. Auch das OECD-Musterabkommen verbietet dem Quellenstaat die Anwendung des Progressionsvorbehaltes nicht. Das DBA-Türkei räumt dem Quellenstaat weder einen Progressionsvorbehalt ein noch verbietet es seine Anwendung. Das DBA-Türkei entfaltet somit keine Schrankenwirkung hinsichtlich des Progressionsvorbehaltes.
Bei der Ermittlung der Höhe des Steuersatzes einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person, die nicht in Österreich ansässig ist, verbietet das österreichische Steuerrecht somit nicht die Heranziehung auch der ausländischen Einkünfte für die Berechnung des Durchschnittssteuersatzes. Dem steht das DBA-Türkei nicht entgegen. Für die Besteuerung in Österreich sind daher bei der Ermittlung des Steuersatzes sowohl die österreichischen als auch die türkischen Einkünfte heranzuziehen.