Navigation
Inhalt
Die vom Verfassungsgerichtshof aufgetragene "Ex-nunc-Prüfung" der Lage im Herkunftsstaat im Beschwerdeverfahren gegen die Zurückweisung eines Folgeantrags wegen entschiedener Sache berechtigt das Verwaltungsgericht nicht, über den subsidiären Schutz inhaltlich zu entscheiden
Ra 2023/18/0037 vom 4. Juli 2023
Im vorliegenden Fall wurde der Antrag eines afghanischen Asylwerbers auf internationalen Schutz im Jahr 2017 rechtskräftig abgewiesen.
Im Juli 2020 stellte er einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag im September 2020 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück, u.a. deshalb, weil sich die Lage im Herkunftsstaat Afghanistan seit dem ersten Asylverfahren nicht relevant geändert habe.
Dagegen erhob der Asylwerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Während des Beschwerdeverfahrens übernahmen die Taliban in Afghanistan (im August 2021) die Macht; ein Umstand, den das Bundesverwaltungsgericht nicht berücksichtigte und die Beschwerde abwies.
Der Verfassungsgerichtshof hob die verwaltungsgerichtliche Entscheidung nur in Bezug auf den subsidiären Schutz auf und sprach aus, das Bundesverwaltungsgericht müsse sich - auch im Verfahren über einen Folgeantrag - mit der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Lage im Herkunftsstaat auseinandersetzen.
Im fortgesetzten Verfahren wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde hinsichtlich Asyl erneut ab. Hinsichtlich der Zuerkennung von subsidiären Schutz gab es der Beschwerde statt und erkannte dem Antragsteller subsidiären Schutz zu.
Dagegen erhob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Amtsrevision.
Der VwGH stellte zunächst klar, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht neuerlich über Asyl hätte entscheiden dürfen, weil insoweit bereits eine rechtskräftig entschiedene Sache vorgelegen sei.
Auch die Zuerkennung von subsidiärem Schutz durch das Bundesverwaltungsgericht sei fehlerhaft erfolgt, weil das Verwaltungsgericht die "Sache" des bei ihm anhängigen Verfahrens überschritten habe.
Dazu verwies der VwGH auf seine ständige Judikatur, wonach bei Zurückweisung eines Antrags durch die Verwaltungsbehörde das Verwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren lediglich zu prüfen hat, ob die Zurückweisung zu Recht erfolgte. Es ist aber nicht inhaltlich über die Berechtigung des Antrags zu entscheiden.
Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Das Bundesverwaltungsgericht hatte nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes nur zu prüfen, ob bezogen auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung eine relevante Lageänderung in Bezug auf den subsidiären Schutz vorlag. Es hatte jedoch nicht darüber zu befinden, ob der Antrag des Asylwerbers inhaltlich berechtigt war.
Der VwGH hob daher die gesamte Entscheidung auf.