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Asylgesetz 2005: Die Gefahr, zum Wehrdienst eingezogen zu werden, muss aktuell sein

Ra 2023/20/0110 vom 23. Mai 2023

Der vorliegende Fall betrifft einen syrischen Staatsangehörigen (Antragsteller), der im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 12 Jahre alt war. Er beantragte die Gewährung von internationalem Schutz und brachte vor, in Syrien herrsche Krieg und er müsse dort bei Erreichen der Altersgrenze den Wehrdienst ableisten.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl ab, erkannte dem Antragsteller aber aufgrund der unsicheren Lage in Syrien subsidiären Schutz zu.

Der Antragsteller erhob dagegen Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht erkannte dem Antragsteller auch Asyl zu. In seiner Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass in Syrien für männliche Staatsangehörige ab 18 Jahren die Pflicht zur Ableistung des Wehrdienstes bestehe. Der Antragsteller sei zwar zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht im wehrpflichtigen Alter gewesen, er sei aber (grundsätzlich) wehrdienstpflichtig. Bei der Rückkehr nach Syrien müsse er damit rechnen, zum Wehrdienst eingezogen zu werden. Im Fall der Weigerung der Ableistung desselben drohe ihm eine mit Folter verbundene Gefängnisstrafe.

Gegen diese Entscheidung erhob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Die Behörde bestritt, dass die Voraussetzungen für die Asylgewährung vorlägen, weil der Antragsteller erst 12 Jahre alt sei und es keine Hinweise dafür gebe, dass er diesem Alter zum Wehrdienst in Syrien einzogen würde.

Der Verwaltungsgerichtshof hielt fest, dass die Zuerkennung von Asyl eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Gründe voraussetzt. Solche Gründe sind Verfolgung aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung. Hinsichtlich der politischen Gesinnung kommt es nicht auf die tatsächliche politische Gesinnung an, auch eine unterstellte politische Gesinnung kann asylrelevant sein.

Die Furcht vor der Ableistung des Wehrdienstes oder den Folgen im Fall der Verweigerung desselben (sowie auch im Fall der Desertion) stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet noch keine asylrelevante Verfolgung dar. Dafür bedarf es einerseits solcher Konsequenzen, die die Intensität einer Verfolgung erreichen, und anderseits auch eines kausalen Konnexes der Verfolgungshandlungen zu einem in der GFK genannten Grund.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist zudem der Zeitpunkt der Erlassung der das Verfahren abschließenden Entscheidung (der Behörde oder im Fall der Beschwerdeerhebung des Bundesverwaltungsgerichts). Es kommt darauf an, ob der Fremde im Zeitpunkt der Entscheidung bei Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste. Die Gefahr einer Verfolgung muss aktuell und somit bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung als gegeben anzusehen sein.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte im vorliegenden Fall aber angesichts des Alters des Antragstellers von 12 Jahren nicht dargelegt, dass für diesen im Zeitpunkt der Entscheidung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit überhaupt die Einziehung zum Wehrdienst bevorstehe (oder er dafür vorzunehmende Vorbereitungshandlungen vorzunehmen hätte, in deren Rahmen er in Kontakt mit dem Militär käme). Der Verwaltungsgerichtshof stellte dazu klar, dass lediglich ein in der Zukunft liegendes, theoretisch denkbares Szenario, bei dem zudem ohne nähere Begründung davon ausgegangen wird, dass eine in einem Staat im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Situation auch in ferner Zukunft unverändert weiterbestehen werde, für die Gewährung von Asyl nicht maßgeblich ist. Weiters wies der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass aus den bisher vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nicht ableitbar sei, dass ein Kausalitätsverhältnis zu einem in der GFK genannten Grund vorhanden sein könnte. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre dem Schutzbedürfnis des Antragstellers schon durch die ihm zuteil gewordene Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten hinreichend Rechnung getragen worden.

Somit hätte das Bundesverwaltungsgericht auf Basis der von ihm getroffenen Feststellungen dem Antragsteller nicht den Status des Asylberechtigten zuerkennen dürfen. Der Verwaltungsgerichtshof hob daher die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auf.


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Volltext der Entscheidung