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Art. 55 Abs. 3 DSGVO: Der Gerichtsvollzug ist Teil der justiziellen Tätigkeit
Ra 2021/04/0088 vom 1. Februar 2024
Im vorliegenden Fall wollte der vom zuständigen Bezirksgericht in einem bestimmten Exekutionsverfahren mit dem Vollzug beauftragte Gerichtsvollzieher den Verpflichteten in seiner Wohnung aufsuchen. Da er den Verpflichteten nicht antraf, hinterließ der Gerichtsvollzieher eine amtliche Visitenkarte an der Türe. Der Verpflichtete erhob deswegen eine Datenschutzbeschwerde bei der Datenschutzbehörde mit dem Vorbringen, dass das Hinterlassen der Visitenkarte durch den Gerichtsvollzieher jedem, der an seiner Wohnungstüre vorbeigekommen sei, Kenntnis von der Tatsache eines gegen ihn laufenden Exekutionsverfahrens verschafft habe. Die Datenschutzbeschwerde richtete sich gegen das Bezirksgericht, dem der Gerichtsvollzieher zuzuordnen war.
Die Datenschutzbehörde wies die Datenschutzbeschwerde ab. Zunächst bejahte sie ihre Zuständigkeit, weil der Gerichtsvollzug im Exekutionsverfahren Teil der weisungsgebundenen Justizverwaltung sei und daher nicht unter die Ausnahme „justizielle Tätigkeit“ (Art. 55 Abs. 3 DSGVO) falle. In der Sache selbst führte sie aus, dass der Gerichtsvollzieher seine Visitenkarte derart angebracht hätte, dass der Aufdruck nicht sichtbar gewesen sei. Darüber hinaus habe der Gerichtsvollzieher mit dem Hinterlassen seiner Visitenkarte nur seine eigenen Daten übermittelt, jedoch keine Daten des Verpflichteten offengelegt. Es sei somit dessen Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten nicht verletzt worden.
Das Bezirksgericht erhob gegen diesen Bescheid eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht mit dem Vorbringen, die Datenschutzbehörde sei in der gegenständlichen Angelegenheit nicht zuständig gewesen, weil der Gerichtsvollzug unter den Ausnahmetatbestand des Art. 55 Abs. 3 DSGVO falle. Tätigkeiten der Gerichtsvollzieher im Exekutionsvollzug seien Tätigkeiten im Auftrag der Gerichte, gegen deren Verhalten eine Vollzugsbeschwerde erhoben werden könne.
Das Bundesverwaltungsgericht gab dieser Beschwerde statt und hob den angefochtenen Bescheid der Datenschutzbehörde ersatzlos auf.
Das Bundesverwaltungsgericht ging begründend davon aus, dass die Tätigkeit der Vollzugsorgane bei der Ausführung der Exekutionsschritte der Gerichtsbarkeit zuzuordnen sei. Gerichtsvollzieher seien in diesem Zusammenhang als richterliche Hilfsorgane anzusehen. Aufgrund von Art. 55 Abs. 3 DSGVO, welcher die „justizielle Tätigkeiten“ von der Aufsicht ausnehme, sei die Datenschutzbehörde unzuständig.
Gegen diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erhob die Datenschutzbehörde eine Amtsrevision.
Der VwGH hatte die Frage zu klären, ob die Tätigkeit der Gerichtsvollzieher unter den Ausnahmetatbestand der „justizielle Tätigkeiten“ im Sinne des Art. 55 Abs. 3 DSGVO fällt.
Unter Verweis auf Rechtsprechung des EuGH, wonach Art. 55 Abs. 3 DSGVO extensiv zu interpretieren sei, wurde dies vom VwGH im Ergebnis bejaht. So seien nach Ansicht des EuGH von der Ausnahme alle Verarbeitungsvorgänge umfasst, die von den Gerichten im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit vorgenommen werden.
Der VwGH verwies weiters auf seine Rechtsprechung wonach die Tätigkeit der Gerichtsvollzieher eine Tätigkeit im Rahmen der „Gerichtspolizei im engeren Sinn“ darstelle, die der Gerichtsbarkeit zuzuordnen ist. Wie bereits vom Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, setzen Gerichtsvollzieher „als richterliche Hilfsorgane“ „abgeleitete richterliche Akte“. Diese Akte haben ihren Grund im richterlichen Befehl und sind dessen Vollstreckung, wobei kein Raum für eine Konkretisierung (durch den Gerichtsvollzieher) besteht. Soweit Tätigkeiten des Gerichtsvollziehers vom richterlichen Befehl umfasst sind, sind sie dem Gericht zuzuordnen. Im Exekutionsverfahren stehen - so der VwGH - zwei Parteien (der Betreiber einer Forderung und der Verpflichtete) einander gegenüber, deren widerstreitende Interessen einer richterlichen Kontrolle unterliegen.
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