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Zu den Durchsuchungen von Büros eines Richters und dessen Referenten

Ra 2021/12/0080,
Ra 2022/12/0047, 0048, jeweils vom 5. Dezember 2023

Der vorliegende Fall betrifft die Durchsuchungen der Büros eines Richters am Bundesverwaltungsgericht (BVwG) sowie von dessen Referenten. Im Zuge der ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 während der COVID-19-Pandemie ordnete der Präsident des BVwG die Durchsuchungen der Büros durch andere Bedienstete des BVwG an. Dies sei erfolgt, um den Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten (etwa, indem nach offenen Akten gesichtet wurde) während sich der Richter und der Referent – teils als Hochrisikopatienten – zuhause aufhielten. Im Büro des Richters wurden dabei u.a. teils verschlossene Kuverts gesichtet. Die Durchsuchung des Büros des Referenten erfolgte hingegen in zwei Phasen: Zunächst wurde nach offenen Akten gesucht, dabei seien Unzulänglichkeiten bei der Aktenführung und Verfahrensadministration festgestellt worden. In weiterer Folge ordnete der Präsident eine Aufarbeitung und Dokumentation der vorgefundenen Mängel an. Dabei wurden nicht nur Akten gesichtet, sondern auch Kästen durchsucht oder auch private Schriftstücke – teils aus Kuverts – mitgenommen. Dies betraf auch Korrespondenzen zwischen dem Referenten und dem Richter bzw. Unterlagen des Richters.

Der Richter sowie der Referent erhoben gegen die Durchsuchungen ihrer Büros Maßnahmenbeschwerden, weil sie sich vor allem in ihrem Recht auf Achtung ihres Privatlebens nach Art. 8 EMRK verletzt erachteten.

Das BVwG wies die Maßnahmenbeschwerden im Wesentlichen als unzulässig zurück. Es ging davon aus, dass die Durchsuchungen der Büros keinen Akt unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellen würden. Das Büro des Referenten sei nur gesichtet und aufgeräumt worden, um den Gerichtsbetrieb aufrecht zu erhalten. Es sei jedoch nach nichts Konkretem gesucht worden.

Der Richter und der Referent erhoben dagegen jeweils eine Revision an den VwGH.

Der VwGH setzte sich mit der Frage auseinander, ob die Durchsuchungen der Büros Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellen.

Dazu hielt er zunächst fest, dass ein solcher Akt dann vorliegt, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar in subjektive Rechte der Betroffenen eingreifen. Dies kann auch ohne Wissen der Betroffenen erfolgen, es kommt darauf an, ob in ihre Rechtssphäre eingegriffen wird.

Der VwGH hat bereits ausgesprochen, dass durch den Schutz des Hausrechts ein Eingriff in den Lebenskreis des Wohnungsinhabers, somit in Dinge, die man im Allgemeinen berechtigt und gewohnt ist, dem Einblick Fremder zu entziehen, verhindert werden soll. So genügt bereits eine systematische Besichtigung wenigstens eines bestimmten Objektes (so etwa eines Kastens), um als Hausdurchsuchung gewertet zu werden. Das bloße Betreten (einer Wohnung oder Geschäftsräumlichkeit), ohne dort nach etwas zu suchen, ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht als Hausdurchsuchung zu beurteilen.

Neben dem Schutz des Hausrechts besteht auch der Schutz des Art. 8 EMRK (Achtung des Privat- und Familienlebens), dessen Schutzbereich weiterreichender ist als jener des Hausrechts. Eine Maßnahme (etwa eine Durchsuchung), die gegen den Schutz des Hausrechts verstößt, verstößt daher auch gegen Art. 8 EMRK.

Der EGMR hat bereits ausgesprochen, dass Angestellte erwarten dürfen, dass ihre Privatsphäre beachtet wird, wenn diese persönliche Dinge in Schreibtischladen oder Kästen aufbewahren. Das gilt auch für öffentlich Bedienstete, wenn deren Büros in öffentlichen Gebäuden untergebracht sind. Eine Durchsuchung von Schreibtisch und Kästen durch staatliche Organe greift daher in das Recht auf Privatleben ein.

Der VwGH betonte zwar, dass es durchaus plausibel ist, dass Schreibkräfte zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs Büros zum Einordnen von Aktenstücken bzw. für die Suche nach Aktenstücken betreten. Im vorliegenden Fall hat das BVwG jedoch nicht ausreichend geprüft, ob der Richter oder der Referent in Bezug auf ihre persönlichen Gegenstände eine Privatheit erwarten durften. Ein Eingriff in diese Privatheit könnte in weiterer Folge einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK darstellen. Der VwGH stellte gleichzeitig klar, dass die Ausübung der Dienstaufsicht einen solchen Eingriff nicht rechtfertigen kann.

Der VwGH hob die angefochtenen Entscheidungen auf.

Download: Volltext der Entscheidung (Ra 2021/12/0080)

Volltext der Entscheidung (Ra 2022/12/0047, 0048)