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Zu Versammlungen während Sitzungen der gesetzgebenden Organe

Ra 2023/01/0242 vom 6. November 2024

Im vorliegenden Fall wurde ein Besucher einer Landtagssitzung von der Landespolizeidirektion Tirol u.a. deshalb bestraft, weil dieser während einer Sitzung des Tiroler Landtags eine Versammlung veranstaltete, ohne vorher eine Versammlungsanzeige erstattet zu haben. Der genannte und drei weitere Besucher erhoben sich nämlich während der Sitzung und hielten Banner in die Höhe. Die Präsidentin des Landtags forderte diese Besucher in Ausübung der Sitzungspolizei auf, den Saal zu verlassen. Dieser Aufforderung kamen sie nach.

Einer vom bestraften Besucher der Landtagssitzung gegen die Strafe erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Tirol statt, hob die Strafe auf und stellte das Verfahren ein. Das Gericht ging davon aus, dass die Strafe deshalb aufzuheben gewesen sei, weil die von der Versammlung ausgehende Störung bereits durch die Ausübung der Sitzungspolizei, als Teil der Staatsfunktion Gesetzgebung, beendet worden sei. Es verbleibe deshalb für eine – verwaltungsbehördliche – Bestrafung nach dem Versammlungsgesetz kein Raum mehr, so das Verwaltungsgericht.

In weiterer Folge erhob die Landespolizeidirektion Tirol dagegen eine Amtsrevision an den VwGH.

Der VwGH hatte die Frage zu klären, ob Versammlungen von Zuhörern in Sitzungen der Gesetzgebungsorgane der Anzeigepflicht nach dem Versammlungsgesetz unterliegen und ob die Möglichkeit der Ausübung der Sitzungspolizei durch das gesetzgebende Organ dieser Anzeigepflicht und der Strafbarkeit bei einem Verstoß dagegen entgegensteht.

Dazu stellte der VwGH unter Bezug auf Rechtsprechung des VfGH klar, dass die Ausübung der Sitzungspolizei im Tiroler Landtag der Staatsfunktion der Gesetzgebung zuzurechnen und dieser auch vorbehalten ist. Näher geregelt ist die Ausübung der Sitzungspolizei in der Geschäftsordnung des Tiroler Landtags. Gerade der Präsidentin des Landtags kommen dabei umfassende sitzungspolizeiliche Befugnisse zu, die etwa der Einhaltung des Hausrechts oder dem störungsfreien Ablauf von Sitzungen dienen. Insbesondere die Ausübung der Sitzungspolizei während Beratungen der Landtagsorgane, wie etwa die Entfernung von Ruhestörern oder unbefugt Anwesenden, sind als Akte der Gesetzgebung zu qualifizieren. Diese können daher nicht im Verwaltungsrechtsweg bekämpft werden.

Im vorliegenden Fall ging der VwGH davon aus, dass dem bestraften Besucher jedoch kein bestimmtes Verhalten während einer Sitzung vorgeworfen wurde, sondern, dass dieser es im Vorfeld (nämlich bis spätestens 48 h vor der Versammlung) unterlassen habe, eine Versammlungsanzeige gegenüber der Verwaltungsbehörde zu erstatten. Dieser der Landtagssitzung zeitlich wie örtlich vorgelagerte Pflichtwidrigkeit konnte daher mit der Sitzungspolizei nicht entgegengetreten werden, sodass der Vollzugsbereich der Gesetzgebung nicht berührt wurde. Dabei kam es auch nicht darauf an, dass die Abhaltung der Versammlung während einer Landtagssitzung in Aussicht genommen war.

Ergänzend betonte der VwGH jedoch, dass die Versammlungsbehörde den der Gesetzgebung zukommenden Vollzugsbereich auch bei Prüfung einer erfolgten Versammlungsanzeige zu beachten hat. So darf die Versammlungsbehörde insbesondere nicht während geplanter Landtagssitzungen beabsichtigte Versammlungen untersagen. Andernfalls würde die Versammlungsbehörde darüber befinden, welche Personen als Besucher an Sitzungen der Gesetzgebungsorgane (Nationalrat, Bundesrat oder Landtage) teilnehmen dürfen bzw. ob oder wie diese dort Meinungsbekundungen vornehmen dürfen. Diese Entscheidung obliegt einzig dem die Sitzungspolizei ausübenden Gesetzgebungsorgan. Dennoch bleiben die übrigen Aufgaben der Behörde unberührt, hier sei etwa die Einhaltung der „Verbotszone“ („Bannmeile“) rund um das Parlament erwähnt – auch diese dient dem Schutz von Sitzungen. Auch der vorausschauenden Besorgung dieser (weiteren) Aufgaben der Behörde dient die Anzeigepflicht.

Der VwGH hob die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts auf.


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