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AMD‑G / „Der Wegscheider“: Die Beachtung des Objektivitätsgebots ist anhand der einzelnen Sendung zu prüfen

Ra 2023/03/0148 vom 15. Mai 2024

Im vorliegenden Fall stellte die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) mit Bescheid fest, dass „ServusTV“, ein privater Rundfunkveranstalter, durch mehrere Aussagen in der Sendung „Der Wegscheider“ zur COVID‑19‑Pandemie gegen den nach § 41 Abs. 1 Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz (AMD‑G) gebotenen Grundsatz der Objektivität verstoßen habe. Die Aussagen seien grob verzerrend gewesen und hätten „kein ausreichendes Sachsubstrat“ enthalten. Die KommAustria trug dem Sender auf, diese Feststellung in seinem Programm zu veröffentlichen.

Das Bundesverwaltungsgericht gab der dagegen erhobenen Beschwerde des Senders statt und hob den Bescheid der KommAustria auf. Im Wesentlichen ging das Gericht davon aus, dass es sich bei der Sendung „Der Wegscheider“ um ein satirisches Format und somit weder um eine Berichterstattung noch um eine Informations- oder Nachrichtensendung im Sinne des § 41 Abs. 5 AMD‑G handle. Zur Frage, ob der Sender durch die Ausstrahlung der Sendung „Der Wegscheider“ gegen den Grundsatz der Objektivität nach § 41 Abs. 1 AMD‑G verstoßen habe, nahm das Bundesverwaltungsgericht an, dass sich diese Bestimmung auf Fernsehprogramme als Ganzes beziehe; einzelne Sendungen könnten daher nicht gegen § 41 Abs. 1 AMD‑G verstoßen. ServusTV strahle auch Nachrichten bzw. andere Sendungen aus, die sich jeweils in unterschiedlicher Weise mit der COVID‑19‑Pandemie auseinandersetzen würden, weshalb der Sender nicht gegen § 41 Abs. 1 AMD‑G verstoßen habe, so das Gericht weiter.

Gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erhob die KommAustria eine Amtsrevision.

Der VwGH setzte sich mit der Frage auseinander, ob die in § 41 Abs. 1 AMD‑G normierten Grundsätze der Objektivität und Meinungsvielfalt anhand der einzelnen Sendung oder anhand des Fernsehprogramms eines (Privat-)Senders insgesamt zu prüfen sind.

Zunächst verwies er auf die unterschiedlichen Regelungen für den ORF und die Privatsender. Das ORF‑G sieht striktere Programmgrundsätze vor als das AMD‑G. § 41 AMD‑G, der die Programmgrundsätze für Privatsender regelt, hat aber – ebenso wie die entsprechenden Bestimmungen im ORF‑G – seine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. I Abs. 2 BVG Rundfunk und ist daher verfassungskonform auszulegen. Der VwGH verwies auf Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art. I Abs. 2 BVG Rundfunk, wonach jede Darbietung den grundsätzlichen Geboten der Objektivität, Unparteilichkeit, Pluralität und Ausgewogenheit unterworfen ist. Daraus ergibt sich, dass sich der Verfassungsgerichtshof nicht auf das gesamte Programm eines Senders bezieht, sondern vielmehr jede einzelne „Darbietung“ (Sendung) prüft.

Der VwGH stellte klar, dass somit auch bei jeder einzelnen Sendung nach dem AMD‑G das Objektivitätsgebot zu beachten ist und daher auch seine zum Objektivitätsgebot des ORF‑G ergangene Rechtsprechung zum Tragen kommt. Nach dieser Rechtsprechung bemisst sich die Sachlichkeit (Objektivität) einer Sendung grundsätzlich nach ihrem Thema. Die Sachlichkeit wird anhand einer Gesamtbetrachtung und des Kontexts der Sendung beurteilt. Einzelne Formulierungen können daher aus dem Gesamtzusammenhang gerechtfertigt sein.

Weil das Bundesverwaltungsgericht die Objektivität anhand des gesamten Programms des Senders und nicht jeweils anhand der einzelnen Sendungen geprüft hat, hob der VwGH die angefochtene Entscheidung auf.


Download: Volltext der Entscheidung