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. Jagdgesetz 1964: Beschwerderecht von Umweltorganisationen gegen Zwangsabschüsse von Gamswild (Anhang V FFH-Richtlinie)

Ra 2023/03/0154 vom 3. September 2024

Im vorliegenden Fall ordnete die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck den Zwangsabschuss von Gamswild für mehrere Jagdjahre in einem bestimmten Gebiet der Bundesforste mit Bescheid an. Die Behörde begründete dies im Wesentlichen mit dem Erfordernis des Waldschutzes bzw. der Wiederbewaldung. Eine gravierende Auswirkung auf den Gesamtbestand des Gamswilds erwarte die Behörde nicht.

Gegen den Bescheid erhob eine nach dem UVP-G anerkannte Umweltorganisation aus Deutschland eine Beschwerde. Darin brachte sie vor, dass das Gamswild im Anhang V der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) aufgezählt werde und daher von gemeinschaftlichen Interesse sei (auch wenn es nicht zu den in Anhang IV dieser Richtlinie angeführten „streng geschützten“ Tierarten gehöre). Die Bestimmungen zum Schutz der im Anhang V aufgezählten Tiere seien im . Jagdgesetz 1964 jedoch nicht umgesetzt worden. Inhaltlich machte die Umweltorganisation geltend, dass die Tötung dieser Tiere nach der FFH-Richtlinie nur unter engen Voraussetzungen angeordnet werden dürfe, welche nicht geprüft worden seien, und dass trotz hoher Gamswildabgänge kein umfassendes Monitoring der Bestandszahlen durchgeführt worden sei.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wies die Beschwerde der Umweltorganisation als unzulässig zurück. In seiner Begründung hielt das Gericht fest, dass im . Jagdgesetz 1964 ein Beschwerderecht für Umweltorganisationen im Zusammenhang mit Zwangsabschüssen nur hinsichtlich der im Anhang IV (sowie in der Vogelschutz-RL) vorkommenden, streng geschützten Tierarten, jedoch nicht hinsichtlich der im Anhang V vorkommenden Tierarten vorgesehen ist.

Dagegen erhob die Umweltorganisation eine Revision.

Der VwGH setzte sich mit der Frage auseinander, inwieweit anerkannten Umweltorganisationen das Recht zukomme, Bescheide zu bekämpfen, mit denen der Zwangsabschuss von im Anhang V der FFH‑Richtlinie angeführten Tierarten angeordnet wird.

Dazu verwies der VwGH zunächst auf die Aarhus-Konvention und die dazu ergangene Rechtsprechung, wonach Umweltverbände – als Mitglieder der Öffentlichkeit – die Verletzung von nationalen Rechtsvorschriften, die die Rechtsvorschriften der Union im Bereich der Umwelt umsetzen, sowie von unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Umweltrechts der Union vor Gericht geltend machen können.

Im . Jagdgesetz 1964 wurden auch Bestimmungen über den Artenschutz in der FFH-Richtlinie in Bezug auf jagdbare Tiere umgesetzt. In § 91a ist ein Beschwerderecht für anerkannte Umweltorganisationen eingeräumt, welches jedoch nur auf bestimmte Verfahren beschränkt ist. Der VwGH stellte klar, dass der Landesgesetzgeber beabsichtigte, die Bestimmungen der FFH-Richtlinie unionsrechtskonform umzusetzen. Das Beschwerderecht der Umweltorganisationen umfasst damit in unionsrechtskonformer Interpretation sämtliche Verfahren, in welchen die FFH‑Richtlinie umsetzende Bestimmungen des . Jagdgesetzes 1964 (oder die FFH‑Richtlinie unmittelbar) anzuwenden sind.

Entscheidend für die vorliegende Rechtsfrage ist, ob bei einer Anordnung des Zwangsabschusses von Tieren die im Anhang V der FFH-Richtlinie angeführt sind, Vorgaben der FFH-Richtlinie einzuhalten sind, so der VwGH weiter. Dazu verwies er auf Rechtsprechung des EuGH, wonach die – grundsätzlich zulässige – Bejagung von im Anhang V vorkommenden Tierarten begrenzt werden dürfe, wenn dies der Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands diene. Bestehe jedoch kein günstiger Erhaltungszustand, dürfte eine Bejagung in der Regel nicht ausgeweitet werden. Es sei als Entscheidungsgrundlage jedenfalls erforderlich, den Erhaltungszustand wirksam zu überwachen.

Auf des . Jagdgesetz 1964 umgelegt bedeutet dies, dass zunächst zu klären ist, ob sich die betroffene – im Anhang V genannte – Tierart in einem günstigen Erhaltungszustand befindet. Im Falle keines günstigen Erhaltungszustands untersagt die FFH-Richtlinie die Bejagung bzw. Zwangsabschüsse, soweit diese der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands entgegenstehen. Sollte ein günstiger Erhaltungszustand gegeben sein, wäre zu prüfen, ob ergänzend zu den – zulässigen – Zwangsabschüssen Maßnahmen für die Aufrechterhaltung des günstigen Zustands erforderlich seien.

Es ist daher auch bei der Anordnung eines Zwangsabschusses von im Anhang V vorkommenden Tierarten Unionsumweltrecht anzuwenden, weshalb anerkannten Umweltorganisationen ein Beschwerderecht zukommt.

Im vorliegenden Fall brachte die Umweltorganisation vor, dass der Erhaltungszustand des Gamswilds nicht ausreichend ermittelt worden sei. Sie machte damit eine Verletzung von Unionsumweltrecht geltend. Das Landesverwaltungsgericht hätte ihre Beschwerde daher nicht zurückweisen dürfen.

Der VwGH hob die angefochtene Entscheidung auf. Das Landesverwaltungsgericht wird sich nun mit der Beschwerde der Umweltorganisation inhaltlich befassen müssen.


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