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ASVG: Zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung von Bergwanderführern
Ra 2024/08/0034 vom 19. November 2024
Im vorliegenden Fall hatte der VwGH die sozialversicherungsrechtliche Einordnung eines Bergwanderführers zu klären, der für einen Verein Touren absolvierte.
Die Österreichische Gesundheitskasse sprach mit Bescheid aus, dass der Bergwanderführer für den Verein als „echter“ Dienstnehmer tätig geworden und daher der Pflichtversicherung nach dem ASVG sowie dem AlVG unterlegen sei.
Der Bergwanderführer erhob dagegen eine Beschwerde. Er ging davon aus, dass er selbstständig sei und somit nicht der Pflichtversicherung nach dem ASVG unterliege.
Das Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerde teilweise statt. Das Gericht ging auch davon aus, dass der Bergwanderführer der Pflichtversicherung nach dem ASVG unterliege, jedoch nicht als echter, sondern als freier Dienstnehmer. Es habe keine persönliche, sondern nur eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Bergwanderführers zum Verein bestanden. Die wirtschaftliche Abhängigkeit freier Dienstnehmer, die zur Pflichtversicherung nach dem ASVG führt, ist nach der gesetzlichen Regelung (§ 4 Abs. 4 ASVG) dann zu bejahen, wenn die Dienstnehmer über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen. Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass der Bergwanderführer über keine solche wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügte. Bei der von ihm genützten Ausrüstung (Wanderschuhe, Rucksack, Funktionsbekleidung, etc.) handle es sich nämlich um – im Hinblick auf die steuerliche Absetzbarkeit – nur geringwertige Wirtschaftsgüter.
Der Bergwanderführer erhob eine Revision an den VwGH.
In dem darüber ergangenen Erkenntnis setzte sich der VwGH mit der Frage auseinander, unter welchen Voraussetzungen „wesentliche eigene Betriebsmittel“ im Sinn des § 4 Abs. 4 ASVG vorliegen, die zur Pflichtversicherung eines freien Dienstnehmers nach dem GSVG (als „neuer Selbständiger“) statt nach dem ASVG führen.
Der VwGH gab zunächst seine bisherige Rechtsprechung zu der Definition der „wesentlichen eigenen Betriebsmittel“ wieder, die u.a. auf den Begriff der „geringwertigen Wirtschaftsgüter“ aus dem Steuerrecht (§ 13 EStG 1988) verwies. Diese Bestimmung regelt die sofortige Absetzbarkeit von Wirtschaftsgütern im – geringen – Wert von aktuell höchstens 1000 € (im Fall des Bergwanderführers galt noch eine Grenze von 800 €). Der VwGH stellte nun klar, dass es bei der Beurteilung der „Wesentlichkeit“ im Sinn des § 4 Abs. 4 ASVG nicht darauf ankommt, ob die Betragsgrenze durch ein Wirtschaftsgut alleine oder durch Zusammenrechnung mehrerer Güter überschritten wird. Es ist jedoch notwendig, dass die Wirtschaftsgüter überhaupt steuerlich veranlagt werden, weil sonst nicht darauf geschlossen werden kann, dass die Wirtschaftsgüter zumindest überwiegend betrieblich genutzt werden. Nur bei solchen Sachmitteln, die ihrer Art nach von vornherein für die betriebliche Tätigkeit bestimmt sind (bei denen also eine Privatnutzung nicht in Betracht kommt), ist die steuerliche Geltendmachung nicht entscheidend.
Wird mit den eigenen Betriebsmitteln des Dienstnehmers die Geringwertigkeitsgrenze überschritten, so ist in einem weiteren Schritt noch zu prüfen, ob darüber hinaus auch vom Dienstgeber Betriebsmittel für die konkrete Tätigkeit zur Verfügung gestellt wurden und diesen - in einer Gesamtbetrachtung - eine so überragende Bedeutung zukommt, dass die eigenen Betriebsmittel des Dienstnehmers ganz in den Hintergrund treten und daher nicht als wesentlich anzusehen sind. In die Gesamtbetrachtung haben auch die für organisatorische Belange bereitgestellte Infrastruktur sowie etwa das Angewiesensein auf den Marktauftritt des Auftraggebers einzufließen.
Der VwGH hob das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts auf, weil dieses nicht geprüft hatte, ob die Ausrüstungsgegenstände des Bergwanderführers zumindest überwiegend betrieblich genutzt und dementsprechend auch steuerlich abgeschrieben wurden sowie zusammengerechnet die Geringwertigkeitsgrenze überschritten.