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Inhalt
Zustellgesetz: Die Verständigungsadresse für elektronische Zustellungen ist aktuell zu halten – andernfalls die Lasten zu tragen sind
Ro 2023/02/0017 vom 12. Dezember 2024
Im vorliegenden Fall wurden dem Mitbeteiligten mehrere Übertretungen der StVO und des KFG angelastet. Da der Mitbeteiligte im Teilnehmerverzeichnis des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort aufschien, verfügte die Behörde die elektronische Zustellung der Strafverfügungen. Zwar wurden die Verständigungen an die vom Mitbeteiligten angegebene E-Mail-Adresse versendet, diese war jedoch seit längerem nicht mehr aktiv. Über ein Jahr später aktualisierte der Mitbeteiligte seine E-Mail-Adresse und brachte Einsprüche gegen die Strafverfügungen ein, die von der Verwaltungsstrafbehörde als verspätet zurückgewiesen wurden.
Der Mitbeteiligte erhob dagegen Beschwerden an das zuständige Verwaltungsgericht, welches die Zurückweisungsbescheide aufhob. Im Wesentlichen ging das Gericht davon aus, dass die Strafverfügungen dem Mitbeteiligten bisher nicht rechtswirksam zugestellt worden und daher auch nicht in rechtliche Existenz erwachsen seien.
Die Verwaltungsstrafbehörde erhob dagegen eine Amtsrevision.
Der VwGH setzte sich mit der Frage auseinander, welche Rechtsfolgen in Hinblick auf Zustellungen eintreten, wenn die E‑Mail‑Adresse für die Verständigung von elektronischen Zustellungen trotz einer solchen Pflicht nicht rechtzeitig aktualisiert wird.
Zunächst führte er dazu aus, dass nach § 28 Zustellgesetz (ZustG) elektronische Zustellungen vorzunehmen sind. § 35 ZustG regelt die elektronische Zustellung mit Zustellnachweis, wonach der Empfänger über das zur Abholung bereitliegende Dokument zu verständigen ist. Diese Verständigung erfolgt an eine elektronische, in der Regel an eine E‑Mail‑Adresse. Wird nach der ersten Verständigung das Dokument nicht binnen 48 Stunden abgeholt, erfolgt eine weitere Verständigung. Gemäß § 35 Abs. 6 ZustG gilt die Zustellung als am ersten Werktag nach der ersten elektronischen Verständigung bewirkt, die tatsächliche Abholung ist daher keine Voraussetzung für eine erfolgreiche Zustellung. Die Zustellung gilt aber jedenfalls mit seiner Abholung als bewirkt (§ 35 Abs. 5 ZustG). Umgekehrt gilt eine Zustellung als nicht bewirkt, wenn die elektronischen Verständigungen nicht beim Empfänger eingelangt waren (§ 35 Abs. 7 ZustG).
§ 28b Abs. 2 ZustG verpflichtet den zur elektronischen Zustellung registrierten Teilnehmer die für eine elektronische Zustellung notwendigen Daten laufend – somit unabhängig von einem konkreten Verfahren – aktuell zu halten und daher auch etwa Änderungen der Verständigungsadresse bekanntzugeben. Dieser Verpflichtung ist der Mitbeteiligte nicht nachgekommen, auch der Behörde war nicht bekannt, dass seine E‑Mail‑Adresse nicht mehr aktuell war.
Der VwGH stellte klar, dass in einem solchen Fall die Zustellung durch Übermittlung der Verständigung über bereitliegende Dokumente an die bisherige elektronische Adresse rechtswirksam erfolgen konnte, auch wenn der Mitbeteiligte als Empfänger dort nicht mehr erreichbar war.
Diese im ZustG nicht geregelte Rechtsfolge leitete der VwGH daraus ab, dass das Gesetz die Verantwortung, dass die im Teilnehmerverzeichnis hinterlegten Daten richtig und aktuell sind, dem Teilnehmer zuweist (insbesondere §28b ZustG). Er trägt die Gefahr, dass der Behörde oder dem Gericht Änderungen (etwa der Verständigungsadresse) nicht bekannt sind. Auch im Falle der physischen Zustellung sieht das Gesetz vor, dass es zu Lasten einer Partei eines laufenden Verfahrens geht, wenn diese die verpflichtende Mitteilung über eine Änderung oder Aufgabe einer Abgabestelle der Behörde nicht vornimmt. Die zu den Folgen der unterlassenen Mitteilung ergangene Rechtsprechung lässt sich auch auf den vorliegenden Fall übertragen.
Schließlich stellte der VwGH klar, dass zwar nach § 35 Abs. 7 ZustG eine Zustellung dann als nicht bewirkt gilt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger von der elektronischen Verständigung keine Kenntnis hatte. Dabei handelt es sich jedoch um eine Schutzbestimmung zugunsten des Empfängers etwa im Falle technischer Gebrechen oder Ortsabwesenheit ohne Internetzugang. Die selbstverursachte Unkenntnis aufgrund der Verletzung der Aktualisierungspflichten nach § 28b Abs. 2 ZustG wird davon jedoch nicht erfasst.
Der VwGH entschied in der Sache dahingehend, dass die Beschwerden gegen die Zurückweisungsbescheide abgewiesen wurden.