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31.5.2024 Verfassungswidrige Regelung der anspruchsberechtigten Personen im NÖ Sozialhilfegesetz?

A 2024/0001 (Ra 2023/10/0314) vom 11. April 2024, G 63/2024

Im Ausgangsfall erkannte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zwei russischen Staatsangehörigen mit einer „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ unter anderem für den Zeitraum ab Dezember 2022 bis September 2023 Geldleistungen nach dem Niederösterreichischen Sozialhilfe‑Ausführungsgesetz (NÖ SAG) zu. Das Gericht ging nämlich davon aus, dass die beiden russischen Staatsangehörigen die Voraussetzungen gemäß § 5 NÖ SAG für die Zuerkennung erfüllten, und stützte sich dabei auf eine Entscheidung des VwGH, die sich mit der Fassung des NÖ SAG vor Dezember 2022 auseinandersetzte (VwGH 28.4.2022, Ra 2021/10/0042).

§ 5 Abs. 1 NÖ SAG in der Fassung vor Dezember 2022 sah vor, dass einen Anspruch auf Sozialhilfe hatte, wer von einer sozialen Notlage betroffen war, in Niederösterreich wohnte und zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigt war. § 5 Abs. 2 NÖ SAG zählte dabei auf, wer zu dem Personenkreis der zum dauerhaft in Österreich Berechtigten zählte, indem die Bestimmung verschiedene Aufenthaltstitel nannte (wobei die „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ nicht erwähnt wurde). In seiner Entscheidung vom 28. April 2022, Ra 2021/10/0042, hielt der VwGH fest, dass die Aufzählung des § 5 Abs. 2 NÖ SAG als nicht abschließend bzw. erschöpfend (und daher als demonstrativ) zu sehen ist. Er begründete dies damit, dass das NÖ SAG als Ausführungsgesetz des Sozialhilfe‑Grundsatzgesetzes des Bundes ergangen ist. Auch dieses sieht in § 4 lediglich einen (in der Regel mindestens fünfjährigen) „dauerhaften rechtmäßigen Aufenthalt“ vor, ohne auf einen bestimmten Aufenthaltstitel Bezug zu nehmen.

Zwar kann die Aufzählung des § 5 Abs. 2 NÖ SAG isoliert betrachtet als abschließend (taxativ) oder nicht abschließend (demonstrativ) interpretiert werden. Landesausführungsgesetze sind jedoch in Übereinstimmung mit den Grundsatzgesetzen des Bundes verfassungskonform zu interpretieren, weshalb die Aufzählung in § 5 Abs. 2 NÖ SAG in der Fassung vor Dezember 2022 als nicht abschließend zu interpretieren ist. Eine (Interpretation als) abschließende Aufzählung stünde aus Sicht des VwGH in Widerspruch zum Sozialhilfe‑Grundsatzgesetz und wäre daher verfassungswidrig.

Mit einer Novelle des NÖ SAG, die mit Dezember 2022 in Kraft trat, wurde § 5 NÖ SAG dahingehend geändert, dass infolge § 5 Abs. 4 Z 6 NÖ SAG nunmehr ausdrücklich nur noch jener Personenkreis anspruchsberechtigt ist, der in § 5 Abs. 2 NÖ SAG aufgezählt wird (wo - nach wie vor - Personen mit „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ nicht erwähnt werden). Der Landesgesetzgeber ordnete somit an, dass die Aufzählung als abschließend zu verstehen ist.

Der VwGH geht davon aus, dass diese Bestimmung im Widerspruch zum Grundsatzgesetz des Bundes steht und daher wegen eines Verstoßes gegen Art. 12 B-VG verfassungswidrig ist. Er beantragte daher die Aufhebung der entsprechenden Bestimmungen.


Volltext des Beschlusses