Der Gebrauch von Cookies erlaubt uns Ihre Erfahrung auf dieser Website zu optimieren. Wir verwenden Cookies zu Statistikzwecken und zur Qualitätssicherung. Durch Fortfahren auf unserer Website stimmen Sie dieser Verwendung zu.

Weitere Informationen

Image-Film abspielen

Information
Auf der Seite Vorabentscheidungsanträge an den EuGH werden jene Vorabentscheidungsersuchen angezeigt, über die der Gerichtshof der Europäischen Union noch nicht entschieden hat.

18.07.2023 Wurde mit der 2. Dienstrechts-Novelle die Altersdiskriminierung von vor 1955 geborenen Beamten betreffend die Ruhegenussbemessung beseitigt?

Ra 2020/12/0049 (EU 2021/0008) vom 18. Juli 2023, C-681/21

Im Jahr 2005 trat das Allgemeine Pensionsgesetz (APG) in Kraft, das für alle ab 1955 geborenen Beamten gilt, und das Pensionsgesetz 1965 (PG 1965) ablösen soll. Ruhebezüge von Beamten, die nach 1955 geboren wurden und Versicherungszeiten vor und nach 2005 erworben haben, werden durch die (sogenannte) Parallelrechnung gemäß § 99 PG 1965 sowohl nach dem PG 1965 als auch dem APG (im Verhältnis der jeweils erbrachten Dienstzeiten vor bzw. nach 2005) ermittelt. Davon sind gemäß § 99 Abs. 6 PG 1965 jene Beamte ausgenommen, die nur geringe Zeiten ab 2005 nach dem APG (weniger als 5% der gesamten Dienstzeit oder weniger als 36 Monate) erworben haben. Die Ruhebezüge dieser Beamten errechnen sich weiterhin ausschließlich nach dem PG 1965.

Mit Novellierungen des PG 1965 wurde in § 41 Abs. 3 PG 1965 vorgesehen, dass die ersten drei jährlichen Anpassungen der Ruhebezüge von (vor 1955 geborenen) Beamten, die einen gewissen Betrag überschreiten (60% der Höchstbeitragsgrundlage nach dem ASVG), nur gedeckelt um einen Fixbetrag erfolgen. Dies galt jedoch nicht für jene (nach 1955 geborenen) Beamten, deren Ruhebezüge gemäß § 99 Abs. 6 PG 1965 nach dem PG 1965 errechnet wurden.

Der VwGH erkannte 2017 in der Deckelung nach § 41 Abs. 3 PG 1965 eine der Gleichbehandlungsrichtlinie widersprechende Diskriminierung nach dem Alter von vor 1955 geborenen Beamten gegenüber jenen nach 1955 geborenen Beamten, bei denen weder die Parallelrechnung noch die Deckelung vorzunehmen ist, und ließ diese Bestimmung aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs unangewendet. Der Ruhebezug von vor 1955 geborenen Beamten errechnet sich nach dieser Rechtslage wie der der (begünstigten) Gruppe von nach 1955 geborenen Beamten nach § 99 Abs. 6 PG 1965.

Mit der 2. Dienstrechts‑Novelle 2019 wurde rückwirkend vorgesehen, dass die Deckelung der ersten drei Anpassungen der Ruhebezüge nach § 41 Abs. 3 PG 1965 nunmehr auch für jene - nach 1955 geborene - Beamte gilt, deren Ruhebezüge sich gemäß § 99 Abs. 6 PG 1965 nach dem PG 1965 errechnen. Es wurde somit rückwirkend die Rechtsposition der vormals begünstigten Gruppe von Beamten an jene der vormals benachteiligten Gruppe angeglichen.

Die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau erhob in einem Verfahren eine Amtsrevision, in der sie davon ausgeht, dass damit die vom VwGH festgestellte Altersdiskriminierung in § 41 Abs. 3 PG 1965 beseitigt wurde, und dass diese Bestimmung unverändert wie bei der vom VwGH festgestellten Diskriminierung bei vor 1955 geborenen Beamten anzuwenden ist.

Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen möchte der VwGH wissen, ob es mit der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie im Einklang steht, wenn mit der 2. Dienstrechts‑Novelle 2019 rückwirkend eine Gleichstellung von ehemals begünstigten Beamten mit bisher benachteiligten Beamten erfolgt und dadurch bewirkt wird, dass den bisher benachteiligten Beamten jene Beträge nicht mehr zustehen, die auf Grundlage der vom VwGH zuvor festgestellten Diskriminierung zur Gleichstellung mit der bisher begünstigten Gruppe zugestanden wären.

Die Vorlagefrage im Wortlaut:

Sind Art. 2 Abs. 1 und 2 lit. a und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf bzw. die Grundsätze der Rechtssicherheit, Besitzstandswahrung und der Effektivität des Unionsrechts dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung - wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden - entgegenstehen, wonach einer vormals begünstigten Gruppe von Beamten aufgrund der Pensionsanpassung zustehende Pensionsbeträge rückwirkend nicht mehr zustehen, und die auf diese Weise (rückwirkende Beseitigung der vormals begünstigten Gruppe durch nunmehrige Gleichstellung mit der vormals benachteiligten Gruppe) bewirkt, dass auch der vormals benachteiligten Gruppe von Beamten aufgrund der Pensionsanpassung zustehende Pensionsbeträge nicht (mehr) zustehen, die der zuletzt genannten Gruppe wegen bereits (wiederholt) gerichtlich festgestellter Diskriminierung nach dem Alter - infolge Nichtanwendung einer unionsrechtswidrigen nationalen Vorschrift zwecks Gleichstellung mit der vormals begünstigten Gruppe - zugestanden wären?

Volltext des Beschlusses

Mit Urteil vom 27. April 2023, C-681/21, hat der EuGH wie folgt geantwortet:

"Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass
sie bei Fehlen eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zur Beseitigung einer Diskriminierung wegen des Alters die rückwirkende Gleichstellung des Pensionssystems der Gruppe der vormals durch die nationalen Rechtsvorschriften über den Ruhebezug begünstigten Beamten mit dem Pensionssystem der Gruppe der durch diese Rechtsvorschriften benachteiligten Beamten vorsieht."

Im fortgesetzten Verfahren prüfte der VwGH, ob es für die mit der 2. Dienstrechts‑Novelle 2019 geschaffenen Regelung einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gibt, der die (rückwirkende) Gleichstellung der Beamtenpensionen rechtfertigt. Dazu hielt er in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2023, Ra 2020/12/0049, fest, dass es der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau nicht gelungen ist, eine solche Rechtfertigung darzulegen. Weil das Verwaltungsgericht zu Recht annahm, dass hinsichtlich einer rückwirkenden Anpassung § 41 Abs. 3 PG 1965 nicht zur Anwendung kam, wies der VwGH die Revision ab.

Darüber hinaus hat der EuGH aber auch ausgesprochen, dass der nationale Gesetzgeber im Hinblick auf das Unionsrecht ab dem Zeitpunkt, zu dem die Konformität der Rechtsvorschriften hergestellt wurde, im vorliegenden Fall durch den Erlass der Novelle 2018, das Pensionssystem der Beamten der vormals begünstigten Gruppe an das der Beamten der vormals benachteiligten Gruppe angleichen durfte. Ab dem Zeitpunkt der Gleichstellung kam § 41 Abs. 3 PG 1965 daher zur Anwendung. Das Bundesverwaltungsgericht ging in diesem Zusammenhang jedoch von der Unanwendbarkeit dieser Bestimmung aus, weshalb der VwGH die angefochtene Entscheidung in diesem Teil aufhob.