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25.01.2022 Unterliegen parlamentarische Untersuchungsausschüsse der DSGVO?

Ro 2021/04/0006 (EU 2021/0009) vom 14. Dezember 2021, C-33/22

Im April 2018 setzte der Nationalrat den Untersuchungsausschuss über die politische Einflussnahme auf das (damalige) Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT-Untersuchungsausschuss) ein.

Im Ausgangsverfahren wurde eine Auskunftsperson im September 2018 durch den Untersuchungsausschuss medienöffentlich befragt. Das wörtliche Protokoll dieser Befragung wurde auf der Webseite des österreichischen Parlaments veröffentlicht. Dabei wurde auch der Name der Auskunftsperson vollständig genannt.

Die Auskunftsperson erhob im April 2019 bei der Datenschutzbehörde eine Datenschutzbeschwerde, weil sie sich durch die Veröffentlichung des Protokolls ihrer Befragung unter vollständiger Nennung ihres Namens in ihrem Grundrecht auf Datenschutz verletzt erachtete.

Im September 2019 wies die Datenschutzbehörde die Datenschutzbeschwerde der Auskunftsperson wegen Unzuständigkeit zurück. Die Behörde ging davon aus, dass zwar die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) die Aufsicht über Organe der Gesetzgebung nicht verneine. Aufgrund der Gewaltentrennung sei aber eine Kontrolle der Gesetzgebung, wozu der Untersuchungsausschuss zähle, durch die Verwaltung ausgeschlossen.

Die Auskunftsperson erhob dagegen eine Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht bejahte die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde und begründete dies damit, dass in der DSGVO keine Unterscheidung nach den Staatsfunktionen vorgenommen werde. Eine solche Unterscheidung finde sich auch nicht in den nationalen Regelungen. Lediglich die Gerichte seien ausgenommen, wenn sie rechtsprechend tätig würden. Diese Ausnahme in der DSGVO könne jedoch nicht dahingehend erweitert werden, dass sie für alle unabhängigen staatlichen Einrichtungen gelte. Somit sei die Datenschutzbehörde auch für den Bereich der Gesetzgebung zuständig.

Die Datenschutzbehörde wendete sich dagegen nunmehr an den VwGH.

Für den VwGH stellten sich im Ausgangsverfahren mehrere Fragen, die er dem EuGH zur Beantwortung vorlegte.

So möchte der VwGH wissen, ob die Tätigkeiten von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen – unabhängig vom Untersuchungsgegenstand – in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen und die DSGVO somit anwendbar ist (1. Frage).

Sollte die DSGVO grundsätzlich auf Tätigkeiten von Untersuchungsausschüssen anwendbar sein (der EuGH die erste Frage somit bejahen), stellt sich als weitere Frage, ob dies auch dann gilt, wenn der Untersuchungsgegenstand Tätigkeiten einer polizeilichen Staatschutzbehörde (hier: BVT), also solche zum Schutz der nationalen Sicherheit betrifft, die für sich betrachtet nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrecht und somit der DSGVO fallen.

Im Fall, dass die DSGVO uneingeschränkt zur Anwendung kommt und die Datenschutzbehörde als einzig nationale Aufsichtsbehörde auch für Akte der Gesetzgebung, wie etwa von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, zuständig ist, geht der VwGH davon aus, dass eine solche (nationale) Zuständigkeit auf Grund des Gewaltentrennungsprinzips eine (derzeit nicht vorhandene) verfassungsrechtliche Verankerung benötigt. Der VwGH möchte wissen, ob sich die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde als einzig nationale Aufsichtsbehörde im Sinne der DSGVO für Datenschutzbeschwerden unmittelbar aus der DSGVO ableitet (3. Frage). In diesem Fall wäre wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts eine national mangelnde verfassungsrechtliche Verankerung für die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde nicht erforderlich.

Die Vorlagefragen im Wortlaut:

1. Fallen Tätigkeiten eines von einem Parlament eines Mitgliedstaats in Ausübung seines Kontrollrechts der Vollziehung eingesetzten Untersuchungsausschusses unabhängig vom Untersuchungsgegenstand in den Anwendungsbereich des Unionsrechts im Sinne des Art. 16 Abs. 2 erster Satz AEUV, sodass die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung - DSGVO) auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss eines Mitgliedstaates anwendbar ist?

Falls Frage 1 bejaht wird:

2. Fallen Tätigkeiten eines von einem Parlament eines Mitgliedstaats in Ausübung seines Kontrollrechts der Vollziehung eingesetzten Untersuchungsausschusses, der Tätigkeiten einer polizeilichen Staatsschutzbehörde, somit den Schutz der nationalen Sicherheit betreffende Tätigkeiten im Sinne des 16. Erwägungsgrundes der Datenschutz-Grundverordnung zum Untersuchungsgegenstand hat, unter den Ausnahmetatbestand des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO?

Falls Frage 2 verneint wird:

3. Sofern - wie vorliegend - ein Mitgliedstaat bloß eine einzige Aufsichtsbehörde nach Art. 51 Abs. 1 DSGVO errichtet hat, ergibt sich deren Zuständigkeit für Beschwerden im Sinne des Art. 77 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 55 Abs. 1 DSGVO bereits unmittelbar aus der Datenschutz-Grundverordnung?

Volltext des Beschlusses