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18.2.2025:
„Corona-Demo“: Zur Mitteilungs- und Auskunftspflicht der Polizei im Rahmen einer EinkesselungRa 2023/01/0042 vom 6. Februar 2025 Medienmitteilungen
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29.01.2025:
„Cannabis-Blüten“: Steuerpflichtig nach dem Tabaksteuergesetz?Ro 2024/16/0006 vom 21. November 2024 Medienmitteilungen
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„Klimakleberin“: Schuldet sie die Gebühr für einen Rettungseinsatz?Ra 2023/13/0154 vom 20. November 2024 Medienmitteilungen
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18.2.2025 : „Corona-Demo“: Zur Mitteilungs- und Auskunftspflicht der Polizei im Rahmen einer Einkesselung
Ra 2023/01/0042 vom 6. Februar 2025
Der vorliegende Fall betrifft die Einkesselung von ca. 300 Teilnehmern einer angezeigten und nicht untersagten Versammlung „gegen Corona‑Maßnahmen“ im Jänner 2022 im Bereich des Opernrings durch die Polizei. Etwa 27 Minuten nach Beginn der Einkesselung hat die Polizei die angehaltenen Versammlungsteilnehmer vom Grund der Einkesselung durch Aufforderung zur Mitwirkung an der Identitätsfeststellung mittels einer einmal wiederholten Lautsprecherdurchsage informiert.
Dagegen erhob eine Demonstrationsteilnehmerin eine Richtlinienbeschwerde aufgrund Verletzung der für die Polizei geltenden Richtlinien-Verordnung (RLV), welche unter anderem vorschreibt, dass von der Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt Betroffenen auf Verlangen ihre Rechte mitzuteilen (§ 6 Abs. 1 Z 1 RLV) und von einer Amtshandlung Betroffene über den Zweck des Einschreitens aufzuklären (§ 6 Abs. 1 Z 2 RLV) sind. Die Demonstrationsteilnehmerin sei einerseits nicht in der Lage gewesen, nach den ihr zukommenden Rechten zu fragen, andererseits sei sie nicht über das „Warum“ des polizeilichen Einschreitens aufgeklärt worden.
Das Verwaltungsgericht Wien (VwG) gab der Richtlinienbeschwerde statt und stellte fest, dass die Polizei § 6 Abs. 1 Z 1 sowie § 6 Abs. 1 Z 2 RLV verletzt habe. Hinsichtlich der Mitteilungspflicht auf Verlangen (§ 6 Abs. 1 Z 1 RLV) sprach das Gericht aus, dass eine Verletzung dieser Bestimmung auch dadurch möglich sei, wenn es - wie vorliegend - gar nicht möglich sei, ein Verlangen auf Mitteilung der Rechte als Betroffene zu stellen. § 6 Abs. 1 Z 2 RLV sei wiederum verletzt worden, weil die Demonstrationsteilnehmerin wegen des „sehr lauten Umgebungsgeräuschpegels“ die Lautsprecherdurchsagen nicht habe hören können und (auch sonst) keine konkreten Informationen über den Zweck der polizeilichen Maßnahmen an die eingekesselten Demonstrationsteilnehmer erfolgt seien.
Dagegen erhob die Landespolizeidirektion Wien eine Amtsrevision an den VwGH, der die Entscheidung des VwG in Bezug auf die festgestellte Verletzung des § 6 Abs. 1 Z 1 RLV wegen inhaltlicher Rechtwidrigkeit aufhob und betreffend die festgestellte Verletzung des § 6 Abs. 1 Z 2 RLV bestätigte.
Die RLV stellt einen Berufspflichtenkodex für die Polizei dar und soll eine wirkungsvolle einheitliche Vorgangsweise sicherstellen und die Gefahr von Konflikten mit den „Betroffenen“ mindern.
Zu § 6 Abs. 1 Z 1 RLV stellte der VwGH klar, dass eine Verletzung dieser Bestimmung ein Verlangen des Betroffenen auf Mitteilung seiner Rechte gegenüber den einschreitenden Beamten voraussetzt. Vorliegend hat die Demonstrationsteilnehmerin ein solches Verlangen gar nicht behauptet. Der Umstand, dass es ihr nicht möglich gewesen sei, ein solches Verlangen zu äußern, begründet hingegen keine Verletzung des § 6 Abs. 1 Z 1 RLV.
Hinsichtlich der proaktiven Auskunftspflicht der Polizei über den Zweck des Einschreitens nach § 6 Abs. 1 Z 2 RLV hielt der VwGH - unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung - fest, dass die Auskunftspflicht lediglich den Versuch voraussetzt, den Betroffenen mit den unter Bedachtnahme auf den Vorrang der Aufgabenerfüllung zu Gebote stehenden Mitteln über den Zweck des Einschreitens zu informieren.
In Bezug auf die Einkesselung einer größeren Anzahl an Versammlungsteilnehmern begründet allein der Umstand, dass nicht alle eingekesselten Teilnehmer - wie auch die beschwerdeführende Demonstrationsteilnehmerin - infolge eines situationsbedingt (durch Hupen, Pfiffe und Trommeln) sehr hohen Geräuschpegels die Lautsprecherdurchsagen über den Zweck der Einkesselung hören und verstehen konnten, noch keine Verletzung der Auskunftspflicht. Vielmehr können solche Lautsprecherdurchsagen grundsätzlich einen gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 RLV situationsbedingt ausreichenden Versuch der Auskunftserteilung darstellen.
Fallbezogen bejahte der VwGH dennoch eine Verletzung des § 6 Abs. 1 Z 2 RLV, weil die Polizei entgegen der Zielsetzung dieser Bestimmung, den betroffenen Demonstrationsteilnehmern durch Information ein adäquates Reagieren zu ermöglichen und so die Gefahr einer Eskalation nach Möglichkeit hintanzuhalten, erst etwa 27 Minuten nach Beginn der Einkesselung die betroffenen Demonstrationsteilnehmer vom Zweck des Einschreitens informiert hat.
Kontakt für Rückfragen:
Medienstelle des Verwaltungsgerichtshofes
Dr. Nikolaus Bachler
Telefon: (01) 531 11 - 252
E-Mail:medien@vwgh.gv.at
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