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Vorabentscheidungsanträge an den EuGH
Inhalt
10.06.2022 : § 41 FPG: Rechtswidrige Zurückweisungen von Asylwerbern an der Grenze zu Slowenien
Ra 2021/21/0274 vom 5. Mai 2022 und Ra 2022/21/0074 vom 19. Mai 2022
Die vorliegenden - gleichgelagerten - Fälle betreffen sowohl einen marokkanischen als auch einen somalischen Staatsangehörigen, die an der Grünen Grenze zwischen Slowenien und Steiermark im September 2020 bzw. im Juli 2021 nach Slowenien zurückgewiesen wurden.
Gegen die Zurückweisung erhoben die Fremden jeweils Beschwerden an das Landesverwaltungsgericht Steiermark. Das Gericht gab den Beschwerden statt und sprach aus, dass die Fremden zu Unrecht zurückgewiesen worden seien. Maßgeblich war in beiden Fällen die Frage, ob die Fremden einen Asylantrag gestellt hatten. In einem solchen Fall verfügen Fremde nämlich über einen sofort wirksamen Abschiebeschutz, und eine Zurückweisung wäre unzulässig.
Das Landesverwaltungsgericht ging in seinen Entscheidungen jeweils von einer Asylantragstellung aus. Dazu stellte es etwa im Fall des marokkanischen Staatsbürgers insbesondere fest, dass der Fremde, nachdem er von der Polizei aufgegriffen und zur Grenzkontrollstelle Sicheldorf gebracht worden war, bereits während der Fahrt mehrmals "Asyl" gesagt habe. Dies sei von den vorne sitzenden Polizisten jedoch nicht wahrgenommen worden. Während der Durchsuchung und Befragung in der Grenzkontrollstelle habe der Fremde wiederum mehrmals das Wort "Asyl" geäußert, es sei jedoch keine Reaktion von den Polizisten erfolgt. In diesem Zusammenhang erwähnte das Landesverwaltungsgericht auch, die geschilderte Vorgangsweise der in der Verhandlung einvernommenen Sicherheitsorgane habe beim Gericht den Eindruck entstehen lassen, dass die Methode der "Pushbacks" des Öfteren bzw. "systematisch" Anwendung finde.
Der Fall des somalischen Staatsbürgers gleicht dem des marokkanischen Staatsbürgers.
Gegen diese Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts erhob die Landespolizeidirektion Steiermark (LPD) jeweils eine Amtsrevision.
Diese Revisionen wurde vom VwGH als unzulässig zurückgewiesen, weil die LPD keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt hatte.
Beide Revisionen wandten sich nämlich nur gegen die Beweiswürdigung des Landesverwaltungsgerichts in Bezug auf die Frage der Asylantragstellung. Der VwGH korrigiert die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung eines Verwaltungsgerichts aber nur dann, wenn das Verwaltungsgericht sie in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat.
In vorliegenden Fällen war die Beweiswürdigung des Landesverwaltungsgerichts jeweils nicht unvertretbar. So stützte sie sich etwa auf die Ergebnisse mehrerer Verhandlungen sowie auf zum Teil schriftlich, zum Teil auf Video festgehaltene Aussagen der Fremden und kam in schlüssige Weise jeweils zu der Annahme, dass die Fremden einen Antrag auf Asyl gestellt hatten.
Die Frage, ob "Pushbacks" an der Grenze zu Slowenien "des Öfteren" bzw. "methodisch" Anwendung fänden, war für die Entscheidungen nicht wesentlich, worauf der VwGH ausdrücklich hinwies. Er nahm daher nicht dazu Stellung, ob das Landesverwaltungsgericht diese Aussage zu Recht getroffen hatte.
Volltext der Entscheidung (Ra 2021/21/0274)
Volltext der Entscheidung (Ra 2022/21/0074 mit Verweis auf Ra 2021/21/0274)