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Vorabentscheidungsanträge an den EuGH
Inhalt
20.07.2022 : Cum- / Ex-Gestaltungen: Keine Erstattung der Kapitalertragsteuer
Ro 2022/13/0002 vom 28. Juni 2022
Bei so genannten Cum- / Ex-Gestaltungen werden Aktien einige Tage nach dem Zeitpunkt, an welchem in der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft die Dividendenausschüttung beschlossen wird, aber unmittelbar vor dem Tag, an dem die beschlossene Dividende ausgeschüttet werden soll, verkauft. Die Aktien werden also mit dem Dividendenanspruch ("cum" Dividende) verkauft. Aufgrund der üblichen Abwicklungsusancen werden die Aktien sodann erst mehrere Tage später auf das Depot des Käufers eingeliefert, also erst nach dem "Ausschüttungsstichtag" und somit ohne Dividendenanspruch („ex“ Dividende). Die Zahlung der Dividende erfolgt dann noch an den Verkäufer, der eine Ausgleichszahlung an den Käufer leistet.
Die inländische Aktiengesellschaft behält bei der Dividendenausschüttung Kapitalertragsteuer ein und führt sie an das Finanzamt ab. Ist der Dividendenempfänger im Ausland ansässig, ergibt sich idR. aus dem Doppelbesteuerungsabkommen, dass ihm die Kapitalertragsteuer erstattet wird. Werden bei Cum- / Ex-Gestaltungen mehrere Kaufverträge über dieselbe Aktie geschlossen (oder "Leerverkäufe" getätigt), besteht die Gefahr, dass die Kapitalertragsteuer mehrfach erstattet wird, obwohl sie nur einfach an das Finanzamt abgeführt wurde (vgl. Tumpel, SWK 2021, 1218).
In dem an den VwGH gelangten Fall hatte eine in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAR) ansässige Gesellschaft nach einer Cum- / Ex-Gestaltung beim Finanzamt die Erstattung österreichischer Kapitalertragsteuer von ca 2,3 Mio € beantragt.
Das Finanzamt und das Bundesfinanzgericht verweigerten die Erstattung der Kapitalertragsteuer mit der Begründung, die in den VAR ansässige Gesellschaft habe die Aktien an österreichischen börsennotierten Aktiengesellschaften zwar vor dem Ausschüttungsstichtag gekauft, sei aber erst nach diesem Stichtag, nämlich mit Einlieferung der Aktien in ihr Depot, wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien geworden. Da die in den VAR ansässige Gesellschaft sohin am Ausschüttungsstichtag nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien gewesen sei, könnten ihr die Dividendenerträge einkommensteuerlich nicht zugerechnet werden, weshalb sie auch keinen Anspruch auf Rückzahlung von Kapitalertragsteuer habe.
Die in den VAR ansässige Gesellschaft erhob Revision an den VwGH, in der – wie bereits vorher vor dem Bundesfinanzgericht – umfangreich argumentiert wurde, dass das wirtschaftliche Eigentum an Aktien bereits mit dem Tag des Kaufvertrages, und nicht erst mit dem Tag der förmlichen Einlieferung auf das Depot des Käufers erworben werde.
Der VwGH wies die Revision ab. Er begründete, sowohl die Revisionswerberin als auch das Bundesfinanzgericht hatten verkannt, dass es nicht auf das wirtschaftliche Eigentum am "Ausschüttungsstichtag" ankomme. Einkommensteuerlich ist nämlich nur entscheidend, wer wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien am Tag des Ausschüttungsbeschlusses in der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft ist. Einkommensteuerliches Zurechnungssubjekt von Dividenden ist, wem im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses das wirtschaftliche Eigentümer an den Aktien zukommt. Ab diesem Tag verfügt der Aktionär bereits über eine (noch nicht fällige) Forderung auf den Bezug der konkreten Dividende, ihm sind sodann die Einkünfte aus der Dividende zuzurechnen. Durch den Verkauf der bereits entstandenen Dividendenforderung (mitsamt der Aktie) kann nicht die Stellung als Zurechnungssubjekt der Einkünfte, die zu dieser Forderung geführt haben, auf den Käufer übertragen werden.
Da die Revisionswerberin die Aktien nach dem Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses, also mit bereits entstandenem Dividendenanspruch („cum“ Dividende) gekauft hat, können ihr die Dividenden nicht als Einkünfte zugerechnet werden. Sie hat daher keinen Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer. Auf die Frage, ob sie das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien bereits mit dem Kaufvertrag oder erst mit der späteren Einlieferung auf ihr Depot erworben hat, brauchte daher gar nicht mehr eingegangen zu werden.
Volltext der Entscheidung